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Qsicon Exzellent Dieser Artikel wurde am 28. Oktober 2013 als Spotlight der Woche vorgestellt.
Amlodi11

Amlodi Skarssen

„Rückblickend betrachtet, werde ich keinen Grund haben mich zu beschweren etwas verpasst zu haben, wenn ich doch mal abtreten sollte.
Ich sah die Höhen und Tiefen, die ein Leben für einen Menschen bereit halten kann, fand und heiratete die Liebe meines Lebens, hatte Rang, Namen und Anerkennung in der Königlichen Marine Lordaerons und des Scharlachroten Kreuzzuges und beim Barte Neptulons, ich darf mich glücklich schätzen das Wappen des Ordens der Silbernen Hand auf meiner Brust getragen zu haben.
Und obwohl meine blonde Haarpracht mittlerweile ergraut ist, sind die Geschichten die ich erlebt habe und erzählen kann, zahlreich aber wahrscheinlich nicht die letzten in meinem Leben…

I. Eine gescheiterte Existenz[]

Flaschenklirren.
Ein sachter Rums.
Ein Zwischen.
Licht. Kerzenschein.

Die rote Wachskerze erhellt das Schreibpult. Zumindest etwas. Seine Oberfläche füllt ein Stapel Schriften, Büchern und mehreren Flaschen, zum Teil verkorkt, zum Teil geöffnet. Zum Teil voll doch zum größten Teil halb leer. Aus dem Schatten schnellt eine knotige Hand und greift nach einer der Flaschen, um die in die Dunkelheit zu entführen. Den folgenden Schluckgeräuschen folgt ein Aufstoß, worauf jene Hand die Flasche, geleert, zurück an ihren Platz stellt. Einem Brummen gefolgt schiebt sich ein Gesicht in den Lichtschein der Kerze. Ein altes Gesicht, wettergegerbt und es machte keinen Hehl daraus, dass es nicht die erste Falsche mit stärkerer Umdrehungszahl heute war. Amlodi schlägt das oberste Buch auf dem Stapel auf, welches er auf den Stapel gelegt hatte. Benetzt mit der Tinte aus dem kleinen Fäßchen, führte er den Federkiel in zu der aufgeschlagenen, leeren Seite. Doch dann hält er inne, und tunkt die Feder zurück in das Tintenfässchen. Mit einem erneuten Brummen fand sein noch recht sicherer Griff zu einer weiteren Flasche und leert auch diese großzügig, wenn auch nicht vollends. Beim Zurückstellen jedoch rutscht diese jedoch vom Rand des Pultes und fällt mit einem satten Klatschen, gefolgt von unzähligen Scherben, auf den harten Boden. Es kümmerte ihn nicht. Und erneut griff er nach der Schreibfeder, angehalten um zu schreiben.

„Alles was ich hatte, habe ich auf die Kleidung reduziert die ich am Leibe trage und eine kleine Kammer, in der ich nächtige. Zumindest für ein paar Tage. Vielleicht noch einige Tage länger, wenn ich das nötige Kleingeld auftreiben kann. Ich habe alles verloren. Erst meine Heimat. Dann meine Liebsten und Freunde. Meine Männer und zuletzt mein Schiff. Wir haben Neu Herdweiler nie erreicht. Wir haben uns dem glorreichen Kampf gegen die Lichkönig nicht angeschlossen, welchen unsere Brüder und Schwester in den Nordlanden bestritten. Das Schiff unter meinem Kommando, die Siegreiche Maid, verließ Lordaeron und nahm Kurs gen Norden. Wir haben Neu Herdweiler nicht erreicht. Wenn es nicht der tagelang andauernde Sturm war, so waren es die Meeresungeheuer oder die Segel feindlicher Flotten, zu mächtig, als das wir es hätten mit ihnen aufnehmen können, welche uns dazu veranlasst haben Wochen, Monate oder noch länger am Stück auf See zu verweilen. Die See selbst war die widerborstige Geliebte, welche ihr sonst nur im Garn verrückter Seebären wiederfindet.“

Amlodi legte den Federkiel nieder und betrachtete das Sammelsurium diverser Getränke auf seinem Pult. Er weiß nicht mehr was er zuletzt getrunken hatte. Er kann sich nicht daran erinnern. Die Buchstaben auf den Etiketten, sofern sie welche hatten, ließen sich in seinem Hirn nicht länger zu Worten formieren, die er lesen konnte. Genauso wenig wie jene, welche er grade zu Papier gebracht hatte. Hatte er bereits seine Erlebnisse in … nein, dass hatte er nicht. Ein nun unsicherer Griff zu den Getränken sprenkelte den Boden mit noch mehr Scherben. Und dann endlich, setzte die ersehnte Ohnmacht ein.

Der Morgen danach. Grausam. Sonnenstrahlen streichelten die geröteten Wangen des Mannes, der in seinen Träumen eben noch ganz woanders war. Nicht hier. Nicht in diesem Loch. Und vorallem nicht in diesem Zustand. Amlodi's Augen öffneten sich und erblickten unschönes: Sein Geschreibse war fleckig. Das Schreibpult war der Inbegriff des Chaos. Das Tintenfässchen ist umgefallen und erbrach seinen Inhalt auf der Arbeitsfläche. Die Tinte hatte das Buch, in welchem er schrieb, erreicht. Doch das geschriebene selbst, Licht sei dank, war unberührt. Also neue Tinte kaufen. Kaufen. Doch von welchem Geld nur? Seufzend und mit einem lauten Brummen wuchtete sich der alte Seebär von seinem Stuhl und von dem Pult hoch und kam auf wackligen Beinen zum stehen. Gleichgewicht bewahren. Es dauerte einen Moment.

Er blinzelte sich den Schlaf aus den Augen und fuhr mit dem Blick durch die Kammer. Sein Blick kam auf einer der beiden Schränke an der Wand zum stehen. Mit noch immer wackligen Beinen und einem zweifelhaften Sinn für Gleichgewicht bewegte sich Amodi auf den Schrank zu. Und nach dem er den Schrankknauf in seinem diffusen ausreichend gemustert hatte, schnellte seine rechte Hand nach vorne und riss die Tür derart kräftig auf, dass ihm die Quittung aus dem Schrank durch leichten Flaschenklirren entgegen gebracht wurde. Der darauf folgende Anblick sollte einen Normalsterblichen dazu animieren seine oberste Prioritäten zu überdenken, da dieser vollständig im Sichtfeld des Schrankinneren mit vollen Flaschen, goldenen Inhaltes, erfüllt wurde.

RumvielRum

Schrank mit Rum

Zu diesen zählte Amlodi jedoch nicht. Nicht gegenwärtig. Nicht mit dem Restalkohol in seine, Kreislauf. Er griff nach einer der Flaschen und ging, nein, bewegte sich zurück zum Schreibpult und ließ sich in den Stuhl fallen. Dieser protestierte mit einem lauten Knarren. Dann stand die volle Flasche vor ihm. Zusammen mit vielen anderen, welche jedoch im Gegensatz zu dieser entweder leer oder mindestens halbleer waren. Die Augen des alten Mannes hefteten sich auf die Flasche. Nicht auf das Etikett, sondern auf seinen Inhalt. Und ihm war bewusst, dass ihm die Zügel der Selbstbeherrschung schon nahezu vollständig aus der Hand gerissen wurden. Und würde er so weiter machen, würde er auch den Rest seiner Geistesgegenwart verlieren. Doch mit dem Verlust der Siegreichen Maid und seinem Versagen bei der Mission nach Nordend zu gelangen, war ihm sein geistesgegenwärtiger Zustand ziemlich egal. Unternehmen. Irgendetwas mussten er unternehmen. Nur was? Ah! Ein Geistesblitz! Nein … nein doch nicht. Vieleicht irgendwann mal, doch nicht jetzt. Oh, wie kam nur diese Flasche Rum jetzt in seine Hand … Ach was solls.

II. Regen[]

In der Nacht darauf fluteten wieder Alpträume und Erinnerungen die Traumlandschaft des alten Seemannes. Erinnerungen an die Zeit in Tyr's Hand, gepaart mit den Erinnerungen an den Ausbruch der Seuche selbst, in Stratholme. Eine Traumkomposition, auf die Amlodi gerne verzichtet hätte. Und so läuft er an den Docks der Bucht von Tyr's Hand entlang.

Regen. Ich laufe durch den Regen. Unter meinen Stiefeln knirschen die Planken der Docks. Blitze durchstoßen den wolkenumwobenen Himmel und ihr Donnern krachte durch die Nacht.

„Sie kommen! Sie kommen! Bemannt die Barrikaden!“

Von den Enden meines Dreispitzes tropft das Wasser auf die Planken. Das Wetter ist wie damals in der Stadt. Damals, als wir alle dachten, dass Ende wäre gekommen.

„Sie sind durch! Rückzug! Rückzug! Sichert die Tore!“

Ich laufe durch den Regen. Mein Blick hebt sich und erblickt den Leuchtturm. Sein Licht weist den Seefahrern den Weg. Ein lächerlich anmutender Gedanken. Fremde Schiffe verkehren schon lange nicht mehr hierher. Wir sind die Letzten.

„Feuer! Alle Schützen, feuer! Sie laufen weiter! Diese Drecksviecher laufen einfach weiter! Verdammt, wo kommen die nur alle her?“

Am Leuchtturm hängt das Banner. Das rote Zeichen Lordaerons weht im Wind. Es will sich bewegen. Losziehen. Alle jene strafen, die sich dazu entschlossen haben gegen das Licht zu handeln. Gegen das Leben. Für den Schatten und die Dunkelheit. Doch das Banner ist gebunden. Kann nicht wie es ihm beliebt. So wie ich.

„Sie brechen durch! Es sind zu viele! Ich … Mary? Bist du es? Solltest du nicht zu hause im Bett sein und dich erholen vom … Mary? Was Aaaaaaaaaahhhhrg.“

Es regnet. Regen. Ich laufe im Regen. Meine Heimat fällt. Wir Fallen. Soweit sollte es nicht kommen. Ich tauschte das Blau gegen Rot und war bereit alles auf den Feind zu entfesseln. In meinem ganzen Leben habe ich nie derart hart gekämpft, wie in den letzten Wochen. Und nun? Nun laufe ich im Regen. Und doch, auf dem Meer, am Horizont, ich sehe es, brach die Wolkendecke auf und warme Sonnenstrahlen streicheln das Wasser. Ein Licht der Hoffnung. Der Ansturm beginnt.

Jahre später. Es regnet.

II. Ein Schuß in der Nacht[]

Es wurde nicht besser, wurde schlimmer. Die Geister meiner Vergangenheit wollten mich nicht ruhen lassen und plagten mich in nächtlicher Stunde. Ich muss aus diesem engen Raum raus, wo ich derzeit mein Nachtlager habe. Muss wieder unter Menschen sein. In der Sturmwinder Altstadt fand ich schließlich was ich suchte: Eine Taverne. Eine Taverne, die scheinbar alt genug war, um die eine oder andere Geschichte gehört und das eine oder andere Schicksal gesehen hat. Sehr gut. Dann wird sie mich auch noch aushalten. Und vielleicht kann dieser Ort meine Alpträume binden. Doch was nun folgte, traf mich gänzlich unerwartet. Die Kurzform lautet, dasss der Orden der Scharlachroten Faust mich wohl schon vor Tagen erspähte und nun versuchte mich in seine Reihen zu integrieren. Was sie auch taten. Ehe ich mich versah, befand ich mich in den Kellergewölben unterhalb der Kathedrale von Sturmwind, geführt von einer Ordensangehörigen.

Sie führte mich in ein tieferes Gewölbe. Nie hätte ich gedacht, dass es unter dem Kathedralenschiff ein solches Netzwerk gibt. Schlafräume, Vorratskammern, Rüstkammern. Alles war vorhanden. Meine Führerin ist eine junge Frau. Ihr Wortschatz lässt keinen Zweifel: Sie war einst eine Seefrau. Kul Tirasserin möglicherweise. Nach dem Gespräch mit der obersten Klerikerin zeigte sie mir die Räumlichkeiten des Ordens der Scharlachroten Faust. Ich komme mir so falsch und deplatziert vor. Von einer Ordensangehörigen lasse ich mir die Räumlichkeiten zeigen, während sie mit mir spricht wie mit einem Gleichgestellten. Wir sind gleichgestellt. Nein, eigentlich war sie mir übergestellt. Zelot, pah. Es war so herabwürdigend für mich.

Sie zeigt mir die Räume und ich laufe hinter ihr her. Gekleidet in einer Uniform die ich mir hart erarbeitet hatte, doch nun bedeutungslos ist. Die Abzeichen. Der Rang. Alles bedeutungslos. Die Uniform werde ich abgeben müssen. Der teure Stoff wird ersetzt durch eine einfache Zelotenrobe. Die edlen Stiefel werden einfachen Sandalen weichen. Der Ordensmarschall redete irgendwas von Bußgang, Verzicht in der Zelotenzeit. Ich fühle mich in die Traufe geworfen, direkt aus dem schwersten Regen heraus.

AmlodiZelot

Amlodi Skarssen

Warum ich dies alles bereitwillig auf mich nehme? Es waren die Worte der obersten Klerikerin, dem Orden, dem Kreuzzug wieder dienen zu können. Die Mission wieder aufzunehmen, welche ich nun schon vor Jahren verloren habe, als die See sich gegen uns wand und ich fest glaubte, dass das Licht mich verließ. Meine Führerin heißt Plankenhauer. Sie trägt nicht die Roben, welche sie mir am Ende der Führung überreicht, demnach musste sie eine vollwertige Ordensangehörige sein. Allein im Schlafraum der männlichen Ordensangehörigen lege ich das Bündel auf meine Koje. Das Wappen auf dem Wappenrock lächelt mich an. Und ich muss an diesen einen Schuss denken. Denn was nicht einmal Harold Tennen weiß, einst war ich verheiratet. Und was habe ich diese Frau geliebt, mehr als alles andere. Und sie liebte mich. Sie war die Quelle meiner Kraft, meiner Motivation, meines ganzen seins.

Und dann löst sich der Schuss. Der Hahn der Steinschlosswaffe schnellt nach vorne und stößt die Batterie nach vorne. Die Zeit scheint still zu stehen. Es schneit. Doch die fetten Schneeflocken scheinen in der Luft zu verharren. Der Feuerstein kratzt über die Batterie der Pistole. Ich sehe es nicht. Ich weiß es. So oft habe ich diesen Vorgang beobachtet. Mein Blick ist nach vorne gerichtet. Elisabeth verlässt grade das Haus. Ihre Schlafkleidung hängt in Fetzen an ihr herunter. Die gesunde Farbe ist ihrem Gesicht gewichen. Schmerzen schnellen durch meinen daliegenden Leib. Aufgewirbelter Neuschnee stöbt um mich herum und will mich unter sich begraben.

Verzeih mir.

Das Pulvergemisch zündet. Für einen Lidschlag wird meine Faust zum gleißenden Feuerball. Es hätten Stunden sein können. Die Pistole speit Rauch und Feuer. Eine Kugel schnellt durch die Nach. Sprengt Schneeflocken um Flocke und treibt weiter auf ihr Ziel zu.

Zuvor.

Stratholme, kurz vor Ausbruch des dritten Krieges. Ein Haus nahe des Hafens.

Das Wetter wird schlechter. Dichter Schnee fällt auf die Stadt nieder und nicht ein Lüftchen liegt in der Luft. Die Wachsende Hoffnung konnte nicht ablegen. So sollte Amlodi einen weiteren Tag daheim bleiben. Elisabeth war zuhause als er wiederkam. Natürlich. „Liebster, warum bist du nicht auf der Hoffnung?“ Fragte sie mit kranker Stimme. „Das Wetter.“ Entgegnete er, und legte seinen Mantel über den Stuhl. „Das Wetter? Etwa der Schnee?“ „Ach er Schnee. Wenn es nur das wäre. Es ist absolut windstill. Nicht ein Lüftchen liegt in der Luft.“ Waffengurt abgelegt lehnt die Klinge in der Scheide gegen den breiten und massiven Tisch in der Küche. Im Holster legt er die Pistole auf den Tisch. „Elisa, was ist mit dir? Du klingst gar nicht gut.“ „Ach das muss an diesem Brot liegen. Der Müller muss irgendwas in den Teig gemischt haben. Hast du die Brote schon gegessen die ich dir gemacht habe?“ „Nein.“ „Dann schmeiß sie weg! Ich gehe mich hinlegen.“ Amlodi's Blick folgt seiner Frau während sie sich zurückzieht.

Stunden vergehen. Die Sonne weicht der Nacht. Der Moment des Auslaufens der Lordaerons Hoffnung rückt näher. Amlodi steht am Fenster und beobachtet das Fallen des Schnees. Er konnte nicht schlafen. Der Niederschlag ist schlimmer geworden. Ein Geräusch lenkt seine Aufmerksamkeit zur Tür des Schlafgemaches. Und Amoldi durchfuhr ein Schrecken derart grausam, wie man ihn nie einen Mann wünschen würde. Die Tasse in seiner Hand fällt auf den harten Boden und zerspringt in unzählige Scherben. Gepresst bringt er zwischen seinen Lippen nur noch den Namen seiner Frau hervor, welche er wie niemand anderen liebte.

Ein Schuss kracht durch die Nacht.

Und streckt sein Ziel nieder.

Elisabeth Skarssen liegt regungslos im Schnee. Amlodi's zitternde Hand lässt die rauchende Pistole fallen. Sie fällt in den Schnee und würde niemals wieder benutzt werden. In Tränen aufgelöst brüllt Amlodi ihren Namen in die Nacht. Niemand antwortet.

Und das Wetter verschlechtert sich.

III. Tyr's Hand[]

Ein Abriss. Der erste Tag als Zelot im Orden der Scharlachroten Faust.

Nachdem ich aufgestanden und mir in den Küchenräumlichkeiten ein Glas Bier, einen Becher Rum und ein kleines Glas mit Schnaps eingefüllt habe fiel es mir wieder ein: Ich bin Zelot. Gleicher Gedanke überkam mich auch, als ich meinen Leib in meine, alte Offiziersjacke hüllte und meine Füße mit den schweren Stiefeln bestückte. Ich bin Zelot.

Wochen später.

Der Besuch in Tyr's Hand. Er hatte es vermutet, wollte es jedoch nicht wahrhaben. Und nur Anblick der Stadtmauern genügte, Amlodi's Erinnerungen wieder aufleben zu lassen. Jene Erinnerungen, welche er nur zu oft hat versucht zu verdrängen. Am Ende des Tages lag der alte Seebär wieder in seiner Koje und Bilder weit schlechteren Tagen fluteten seine Traumwelt.

Wenige Monate nach dem Ausbruch der Seuche und dem Fall von Stratholme.

Früher Nachmittag, Tyr's Hand.

Ein herunter gekommener Dreimaster wird grade an einem Dock in der Bucht von Tyr's Hand vertäut. Sein Heck ziert der Schriftzug Siegreiche Maid. Von Bord ging neben einer handvoll Matrosen und Gardisten auch ihr Kapitän, Amlodi Skarssen. Als er das Ende des Laufstegs erreicht hatte, und einen Blick auf die Maid warf, entfährt ihm ein trauriges Seufzen bevor er weiter seine Wege ging und sein Schiff der Obhut seiner Offiziere und der Dockarbeiter überließ. Das Kriegsschiff hatte in der Tat schon wesentlich bessere Tage gesehen. Viele ihrer Segel sind von Rissen gezeichnet, Zimmerleute würden während der Zeit, wo die Maid in Tyr's Hand lag nicht mit der Arbeit fertig werden. Und sie führte zur Zeit etwa nur ein Viertel ihrer üblichen Bewaffnung. Von Munition und diversen Vorräten ganz zu schweigen.

Da die Verseuchung immer weiter um sich griff, viele Bauernhöfe abgeschnitten waren und selbst das Wild bislang unbekannte, schwere Krankheiten in sich trug, sind Nahrungsmittel über alle Maßen knapp. Aus diesem Grunde fuhren einige Schiffe, welche es bis nach Tyr's Hand geschafft hatten, oder noch zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Seuche dort ankerten, regelmäßig hinaus ins offener Meer um in jenen Gewässern zu fischen, welche keiner Seuche anheim fielen.

Tyrshand

Tyr's Hand

Die Siegreiche Maid war eins dieser Schiffe. Statt Geschützen mit Radlafetten beherbergte die Maid Kisten befüllt mit Fisch und Netzen. Jetzt wird der Dreimaster entladen, und die Nahrungskammern der Hafenstadt würden sich zumindest etwas füllen. Sein einstiges Haus würde er auch diesmal nicht aufsuchen. Seit den Geschehnissen vor seiner eigenen Haustür, bei denen er seine Frau verlor, hatte Amlodi das Haus nicht betreten. Ein Schild, dass vor der untot bringenden Seuche warnt prangt an der verrammelten Tür seiner einstigen Behausung. Er selbst nagelte es an.

Gewandet in der roten Offiziersuniform Lordaerons führte ihn sein Weg zu den Pforten der Stadt. Er muss sehen was er an Bord nur gehört hatte. Seit dem Umgreifen der Seuche hatte er den Hafen kaum verlassen und so schaute er sich auf den Straßen immer wieder um und beäugte die Veränderungen seines Heimathafens: Die vielen Barrikaden, die vielen vernagelten Fenster und Türen, die vielen befestigten Schriften an Mauern und Bäumen. Und die vielen Soldaten, gekleidet in den Farben und Wappen des Scharlachroten Kreuzzuges. Die ersten Gruppen vorbei marschierender Soldaten grüßte er noch militärisch korrekt, dann wurden es einfach zu viele. Dann erreichte er eine Anhöhe von der er aus den Vorplatz zu den Stadttoren sehen konnte. Und was er zu sehen bekam ließ ihm den Atem stocken. Er nahm seinen roten Zweispitz vom Kopf und hielt ihn mit beiden Händen vor der Brust fest. Ein Gemisch aus Faszination, Ehrfurcht und puren Schrecken flutete seinen Geist.

Ein nicht enden wollender Strom aus Menschen und einigen wenigen Zwergen und Hochelfen ergoss sich in die Stadt. Soldaten und Uniformierte bemühten sich lautstark die Massen in geordnete Reihen zu bringen. Die Zinnen der Stadtmauern waren stark besetzt. Es war nicht zu übersehen, dass die Balllisten der Stadtverteidigung auf eine kurze Reichweite geeicht wurden und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zielten sie auf die Menschenmassen. Viele der Soldaten hielten ihre Musketen im Anschlag.

Das Zuschnappen von fünf Steinschlößern lenkte seine Aufmerksamkeit nach rechts, wo fünf Soldaten eine Gruppe von drei Personen, welche aus dem Strom brachen und zu flüchten versuchten, wortwörtlich niedermähten. Dieses Ereignis erntete keine besondere Aufmerksamkeit der Anwesenden. Viele der Flüchtlinge wurden in die Kaserne am Platz dirigiert. Ihr Alter schien keine Rolle zu spielen. Sie waren zukünftige Rekruten. Doch Amlodi's Blick heftete sich auf etwas anderes. Auf eine andere Ansammlung von Flüchtlingen. Menschen in Ketten und gesenkten Häuptern. Ein hölzerner Hebel wurde umgelegt. Fünf Menschen verlieren ihr Leben, während der Boden unter ihren Füßen verschwindet und das Seil um ihre Hälse ihr Schicksal besiegelt. Ein Soldat bringt bereits die nächsten Fünf in Position und eine Frau in Roben scheint ein Gebet zu sprechen während sie Symbole in die Luft malte. Menschengruppen, mit und ohne Fesseln wurden systematisch bewegt. Soldaten marschierten bewaffnet mit Schwert, Schild, Lanze oder Muskete über den Platz. Frische Rekruten verließen die Kaserne, ihre Rüstungen trugen zuvor schon andere. Priester sprachen Gebete. Von Leichengruben und Scheiterhaufen stieg Rauch auf. Quarantäneanlagen. Sie säumten den Platz an verschiedenen Stellen, verschlossene Bauten mit dem Warnzeichen der Seuche. Käfige, gefüllt mit Menschen und Getier, sollen die vermeintlich Infizierten von den anderen Flüchtlingen trennen. Angst, Verzweiflung und tot lagen in der Luft. Der Himmel zog sich rasch zu.

Reizüberflutung.

Mit zitternden Händen stand Amlodi da. Unfähig zu einer Reaktion auf das, was sich grade vor seinen Augen abspielte. Diese Komposition aus Grausamkeit, Präzision und einem Hauch von Schicksal. Als seine Beine nachgeben wollten, wurde er von einer starken Hand an der Schulter gepackt. Als er den Kopf zur Seite drehte, sah er in das unergründliche Gesicht von Kapitän Pellew, einem alten Freund aus besseren Zeiten. Mit gesenkter Stimme sprach dieser: „Es ist grausam, ich weiß. Doch du solltest dir das so auch nicht ansehen. Komm. Verschwinden wir von hier“ Amlodi war kaum fähig sich gegen den Druck seines Freundes zu wehren ließ sich führen. „Es … es sind zu viele … wie …“ Pellew antwortete mit noch immer gesenkter Stimme „Nicht hier. Und nimm gefälligst etwas mehr Haltung an, Mann! Wenn dich jemand so sieht.“

Die beiden ehemaligen Seefahrer der Marine Lordaeron's und jetzigen Offiziere des Scharlachroten Kreuzzuges verschwanden in den Eingeweiden der Stadt Tyr's Hand. Der Ausbruch der Seuche liegt erst einige Monate zurück und traf die Stadt nicht gänzlich unvorbereitet doch hart genug, dass an einen normalen Alltag nicht zu denken war. Mehr und mehr Häuser wurden versiegelt und Hinweisschilder auf die Seuche wurden angebracht. Kreuzzugssoldaten griffen hart durch. Die reguläre Stadtwache in ihren blauen Uniformen existierte nicht länger. Und am Himmel machten mehr und mehr blaue Flaggen den neuen, roten Platz.

Die beiden Kapitäne gingen in eine Hafenkneipe mit dem Namen Mast und Schottrunk. benannt nach einem Getränk, welches nun schon seit ein paar Monaten nicht mehr ausgeschenkt wurde.

Es beginnt zu regnen.

Fortsetzung.

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