Sir Reyfus "Der Ungebrochene" Lestrade ist ein Paladin des Kaders "Hand der Treue", einer Splittergruppe der Silbernen Hand.
Gemeinsam mit seinen Brüdern und Schwestern schwor er nach der Erkenntnis eines Fehlurteils einen Eid, dieses wieder gut zu machen, was seine Seele nach seinem Tod dazu verdammte, in der Welt zu bleiben. (Siehe: Hand der Treue)
Geboren in Stratholme trat er in jungen Jahren als Knappe der Silbernen Hand bei, in der er zum Schüler von Sir Viktor von Brill wurde und später an dessen Seite Teil des Kaders wurde.
Während der Kader und der Orden des Erbauers nach einem Weg suchten, die Toten von ihrem Fluch zu erlösen und ihre Seelen zu befreien, verlor er durch mehrere Schlachten zunehmend das Bewusstsein über seine Existenz und die Erinnerung an sein Ich.
Unerwartete Erfahrungen ...gewoben im der Dunkelheit des ewigen Seins.[]
Teil 1[]
Die Sonne schien nur noch als fahler Schemen durch die dunstiggelben Schleier der Pestländer. Ihr Licht kalt und diffus, nur noch ein Bruchteil seiner früheren Stärke.
Fünf Reiter in schwarzroten Rüstungen trabten auf weißen Pferden langsam über die alten Wege des Königreichs, auf denen früher die stolzen Heere des Landes marschierten und heute ihre faulenden Leiber wandelten. In ihrer Mitte ein sechster Reiter, gehüllt in Schatten, geschützt vor dem Licht, welches ihnen verwehrt hatte, was sie nach all den Jahren des Dienstes und des Glaubens in ihren letzten Augenblicken erhofft hatten. Erlösung.
Stumm folgte er seinen Brüdern, seiner Schwester, welche sich gut geschlagen hatte, trotz der vergiftenden Präsenz der Twalach. Die Gegnerin seiner Schwester, ein junges Mädchen, doch stark und kampferprobt. Sie schlug sich gut und gerecht, abgesehen von ihrem niederen Streich in den Rücken seiner Schwester. Früher hätte er sie vielleicht interessant gefunden, doch solche Gedanken waren ihm inzwischen so fremd wie das Verlangen zu Atmen oder dem Lauschen nach dem Herzschlag in einer stillen, einsamen Nacht.
Die Welt bewegte sich unter den Hufen seines Pferdes langsam voran, brachte Reiter und Ross näher an den Ort, der ihm als "Hier" oder "Da" in Erinnerung geblieben war. Jener Ort, an dem man verblieb und wartete, dass die Schatten länger und wieder kürzer und wieder länger wurden. Je länger die Schatten um so angenehmer war ihm die Lagerstatt.
Sein Blick schweifte ungerührt über den Rand der Straße, wo wenige Schritte weiter dunkles Wasser träge gegen die Ufer wog. Für einen Moment klarte seine Erinnerung auf, an blaues Wasser, grüne Ufer, warmer strahlender Sonnenschrein, der seinen Rücken wärmte, während sie gen Darrowehr ritten. Doch ebenso rasch ballten sich dunkle graue Wolken um den kurzen lichten Moment seines Seins und drückten es erneut hinab in die Dunkelheit der umarmenden Schatten.
Die Twalach. Nicht nur dass sie die Ehre des Duells befleckt hatte, nein. Sie hatte auch noch die Dreistigkeit besessen, seine Schwester aufzufordern, mit ihr zu kommen. Twalach. Er verband nichts positives mit dem Wort und seiner Bedeutung. Spöttelnde mandelförmige Augen, verhöhnende lange Ohren einem Troll gleich, Schritte getan in der Arroganz allein dieser Welt bestimmt zu sein. Das Geweih auf der Stirn der Twalach unterstrich ihr Wesen mehr, als jede Satyrhufe es gekonnt hätten. Und dennoch brachte sie jene, die das Wappen der Sensen trugen, dazu, sich gegen die Ehre des Kampfes zu stellen. Wer war sie, dass sie dies wagte und dies ungescholten tat, ja sogar geschützt tat.
Worte kamen aus seinem Mund, dunkel und erdig, wie der Boden unter den Hufen seines Pferdes. "Was ist aus den alten Werten geworden. Ist das die Zukunft? Was kommt nach uns. Was kommt nach ihnen."
Seine Brüder schwiegen. Seine Schwester schwieg. Jedoch er, der Prediger, jener der ihnen Hoffnung gab, wandte sich zu ihm.
"Ihr kommt nach Ihnen, denn ihre Existenz ist begrenzt. Wir sind Vergangenheit, Gegenwart....und Zukunft. Gesegnet im Licht...geschützt im Schatten."
Reyfus nickte stumm.
Das Licht schien nur noch als fahler Schemen durch die umschatteten Seelen der Paladine. Ihr Bewusstsein kalt und diffus, nur noch ein Bruchteil ihrer früheren Stärke.
Teil 2[]
Dunkel zog das Wasser des Sees dahin, folgte der Strömung, welche konstant die Wellen formte, die sich mal um mal an die Oberfläche kämpften um dann erneut zu verebben und scheinbar nie gewesen zu sein.
Vornüber gebeugt kniete er neben den verwachsenen Dornen und Ranken, die sich einem Grabhügel gleich über den knienden Leib seiner Schwester gelegt hatten und ihren Schlaf schützten, so wie es Geflechte aus Schnüren und Perlen mit den Träumen der Lebenden taten. Fast schon liebevoll hatte sich eine der Ranken auch um sein Bein geschmiegt und wie schläfriges Kätzchen sich in seinen Schoß zusammengerollt.
Reyfus spürte Brihannas Präsenz in seinem Verstand, in seinem Sein. Er spürte die Ruhe, die sie erfüllte und ab und an, wenn er nicht bewusst darauf achtete, erfüllte sie einen kurzen Moment auch ihn. Sie war ein Licht, kalt und blau, nur ein winziger Punkt, der in der Finsternis des Geflechts schimmerte und den Weg wies, den Weg zurück ins „Hier“, den Weg zurück zu ihnen.
Die Tage wurden dunkler, die Nächte wurden heller. Wieder und wieder und wieder. Er wartete. Wie er es schon so oft getan hatte, wie er es schon so lange getan hatte. Es war irrelevant ob es ein Tag war, oder eine Woche, oder ein Jahr.
Seine Gedanken flossen ab und an träge davon, verwoben hier und jetzt mit damals und dort. Er erinnerte sich an das Gefühl, wie messerscharfe Klauen sich in jenen Teil von ihm schlugen, den er als Seele bezeichnen würde. Das Gefühl, als die Klauen einen Teil davon abrissen, ihm entrissen. Der innere Aufschrei der Brüder und Schwestern, welche selbst entfernt in Darrowehr noch den Verlust spürten, als wären ihre Leiber in Höllenfeuer gebadet worden, ihr Bewusstsein gegeißelt mit weißglühenden Peitschen, geformt aus Schmerz und Verlust und der Gewissheit, erneut einen Teil ihrer Selbst für immer verloren zu haben.
Seine Lippen formten stumme Worte während sein Blick ungerührt auf Brihannas Ruhestätte lag, den Namen seines Bruders, seines Mentors. Viktor. Ein kurzes Zucken durchlief Reyfus‘ Körper als würde es ihn einen Moment lang frösteln, war der Verlust des Bruders doch ein Schritt mehr in die ewige eisige Kälte des Untodes.
Ruckartig hob Reyfus den Kopf und blinzelte einmal. Er verharrte. Wartete. Das Wasser floss träge dahin. Die Dunstschleier senkten sich tief ins Tal und verbargen die Sonne. Es schien alles wie immer und doch... bahnte sich etwas an. Etwas regte sich im Geflecht. Eine Unruhe. Eine Störung. Das Wasser des Sees begann sich leicht zu kräuseln. Wellen rauschten kaum hörbar sanft gegen das Ufer. Altes Holz knarzte, als tote Äste im Wind zu wiegen begannen. Dann breitete sich wieder das Tuch der Stille über dem Land aus, mit ihr die Dunkelheit. Er blickte nach oben und wusste es war die Ruhe vor dem Sturm.
Reyfus beugte sich über Brihannas Ruhestätte, den Kopf senkend, die Gedanken vertiefend um sie zurück zu rufen. Es ist Zeit zu erwachen, Schwester.
Bewegung kehrte zurück in die versunkene Gestalt Brihannas, wie ein Wesen aus alten Märchen erwachte ihr Körper erneut zum lebensartigen Dasein, streifte die Hülle aus Ranken und Blättern ab und erhob sich erneut, dem Ruf folgend.
Dunkel zog das Bewusstsein dahin, folgte der Strömung, welche konstant die Gedanken formte, das sich mal um mal an die Oberfläche kämpften um dann erneut zu verebben und scheinbar nie gewesen zu sein.
Teil 3[]
Die Sonne war versunken und die Schatten wurden länger, bedeckten das Land mit zarten Tüchern aus dunklem Trost.
Den Kopf gesenkt kniete er vor einem sorgfältig gefalteten Umhang aus tiefem Karmesinrotem Stoff, auf dem sauber und glänzend eine Rüstung lag. Seine Augen waren geschlossen und verbargen den unmenschlich kalten, blauen Glanz darin. Einzig die ewigen Narben in seinem Gesicht und die beginnene Zersetzung des Gewebes bezeugten, dass sein Sein nicht länger dem Lichte zugeneigt war.
Warum hast du das getan, Schwester. Ich schütze dich vor anderen. Doch kann ich dich nicht vor dich selbst schützen.
Ein sanftes Knirschen erfüllte die Luft um ihn, Leben schien in das dunkle tote Erdreich unter ihm zu erblühen Zögerlich durchbrachen junge grüne Spitzen die Oberfläche und verharrten kurz im letzten fahlen Licht eines vergehenden Tages. Dann schoben sie sich weiter voran bis sie ihn berührten. Wie die zarten Finger einer längst vergessenen Geliebten tasteten die Ranken sanft nach ihm, streiften über die tote Haut seiner Hände, umfassten seine Arme, schließlich seine Schultern als wollten sie ihm Halt geben in dieser dunklen Stunde.
Schwester? Bruder? Hört ihr mich? Wir brauchen euch. Kommt zurück!
Stetig wuchsen sie weiter und hüllten ihn mehr und mehr ein wie eine wärmende Decke einen Frierenden. Die Ranken suchten sich ihren Weg zwischen Scharniere und Kettenglieder hindurch, umschmeichelten seine Brust in der wie ein Stein ein Punkt saß, der vor vielen vielen Jahren in diesem Moment vor Schmerzen hätte zerspringen können und nun versuchte, sich zu regen, animiert von den tiefsten Erinnerungen die in seinem Bewusstsein versteckt waren, welche ihn davon tragen wollten in eine Zeit vor jener Existenz.
Lasst mich euer Anker sein, der euch den Weg zurückweist. Eure Zeit ist nicht gekommen!
Die Ranken bohrten sich sachte, doch stetig durch das, was einst Fleisch gewesen war und begannen sich um sein Bewusstsein zu legen. Ein kurzer Moment der Aufgewühltheit, ein schwaches Aufflackern eines Widerstands, der erstickt wurde als sich die Eindringlinge einer packenden Hand gleich um sein Innerstes Sein schlangen, es starr hielten bis es keinerlei Regung mehr von sich gab und nur das vertraute Wohlsein blieb welches nur das Geflecht spenden konnte. Gemeinsamkeit.
Ewig sei Lordaeron, ewig herrsche Menethil, ewig Treue seinem Blut!
Sein Bewusstsein sank tiefer und tiefer in die Dunkelheit des Geflechts, ein schwaches Flackern in einer Welt erfüllt von Finsternis, die sich einladend ausbreitete und bereit war, ihn auf ewig zu umfangen, umherschweifend zwischen Schlingen und Dornen, suchend, rufend. Zu oft war er schon hier gewesen. Zu oft war er dem Licht seines Bruders, seiner Schwester gefolgt. Hunderte und aberhunderte antworteten seinem Ruf, wie immer, wie schon so lange, aber keiner von ihnen war der rechte. Nein, diese würden ewig hier verweilen, gefangen in der ewigen Finsternis, doch nicht seine Geschwister. Noch war es nicht soweit. Noch waren sie nicht gebrochen.
Seht das helle Licht in den tiefen Schatten!
Das Licht war geschwunden und die Schatten wurden tiefer, verdeckten die Seele mit starke Ranken aus finsteren Trost.
Teil 4[]
Endlos zog der Nebel über das Land, ein steter Wind trieb die tiefen Wolken, durch die ein zarter Lichtstrahl brach und den dunkle See für einen Moment erhellte.
Reyfus stand ungerührt am der Brücke, welche die Insel von Darrowehr mit dem Festland verband. Dünne, junge Ranken schmiegten sich um seine Beine, wie kleine verängstige Kinder, die sich an ihren Vater klammerten. Sein Blick war in den Himmel gerichtet, in jene Richtung, in die der Vogel mit seiner Nachricht geflogen war. Ein Lebender als Bote eines Unlebenden. Die Ironie der Situation berührte ihn nicht, es zählte einzig und allein die Nachricht.
Braune Blätter wurden von einem aufkommenden Wind auf den See geweht und zogen dahin wie kleine Schiffchen mit einem unbekannten Ziel. Sein Blick folgte für einen Moment den Blättern und schweifte weiter. Auf dem alten Anleger sah er die Silhouette seiner Schwester, deren schwarzes Haar im Wind wogte wie ebenholzfarbenes Gras.
Die Ranken lösten sich von ihm und zogen sich in die dunkle Erde zurück. Er war sich nicht bewusst, dass seine Schritte ihn zu ihr lenkten, vielmehr wirkte es als nähere sich die Szenerie seiner Wahrnehmung. Er stellte sich neben sie, den Blick auf das Wasser gerichtet um zu sehen, was sie sah. Drei Blätter zogen schaukelnd auf dem Wasser vorbei, miteinander verbunden, ehe der Wind sie trennte und eines in ihre Richtung kam, die anderen beiden den Tanz auf den Wellen fortführten und bald nicht mehr zu sehen waren.
Der dichte Nebel riss auf und ein dünner Strahl fahlen Sonnenlichts fiel auf den alten Bootssteg, wärmte die tote Haut, welche nichts davon spürte, ehe er so plötzlich verschwand, wie er gekommen war und sich wieder die feuchte Kühle einer Gruft ausbreitete. Ffür einen kurzen Moment keimte ein alter Instinkt wieder auf und ließ Reyfus seinen Arm heben, doch der Instinkt verging so rasch wie er gekommen war, verstarb wie die letzte Blüte im ewigen Frost. Einen Moment lang hielt er inne, in der Bewegung verharrend, dann legte sich seine Hand auf Brihannas Schulter und das Gefühl von Verbundenheit flackerte auf, breitete sich aus und ließ sie jeden von ihnen spüren, ließ sie das Gefühl von Einigkeit empfinden, wie es nur zwischen ihren Brüdern und Schwestern zu spüren war, und auch den noch immer leeren Platz, der wie ein tiefer Dorn im lebenden Fleisch schmerzte.
"Er wird zurückkommen."
Endlos zog der Nebel um den Verstand, ein steter Strom trieb die tiefen Schatten, durch die ein fahler Lichtstrahl brach und die dunkle Seele für einen Moment erhellte.
Teil 5[]
In sanften Bahnen wogte der Nebel, bis ein zarter Wind die Schleier hob und ein schmaler Sonnenstrahl die dunkle Erde berührte.
Reyfus stand schweigend am großen Eingangstor zum Gelände der Scholomance. Unbewegt, ungerührt, den Blick auf die Brücke zum Festland gerichtet, über die irgendwann eine Ritterin kommen würde um gegen ihn zu kämpfen. Er war von Ruhe erfüllt, jenseits der Möglichkeit, so etwas wie Aufregung oder Nervosität zu spüren, und doch nahm er wahr, wie sich immer mal wieder ein stärkerer Wind erhob und die schwarzbraunen Kronen längst gestorbener Bäume zu einem drohenden Rauschen brachte. Sie möchten tot sein doch keineswegs vergangen sondern immer noch ein Abbild ihres lebenden Seins.
In sanften Bahnen wogte das Bewusstsein, bis ein zarter Wind die Schleier hob und ein schmaler Lichtstrahl die dunkle Seele berührte.
Teil 6[]
Die Sonne erhob sich langsam über den Ruinen von Darrowehr, wärmendes Licht auf verdorbenem Land.
Gemeinsam mit den ersten Sonnenstrahlen war eine Taube nach Darrowehr gekommen und brachte Nachricht aus Sturmwind. Es war interessant, wie mitunter das Schicksal selbst sein eigenes Geflecht zu stricken schien auf dessen Fäden sie niemals endend entlang glitten und tanzen, wie Marionetten ohne eigenen Willen.
Diesmal erhielt Reyfus keinen halben Keks und ein kleiner heller Funken seines Bewusstseins war darüber sogar froh. Von außen betrachtet war es nicht einfach gewesen, die Geste von Lady Oderike in gleichem Maßstab zurückzuzahlen. Von Reyfus' Standpunkt ausgesehen war es simpel gewesen. Die Zuflucht war nach wie vor ein zentraler Punkt für Pilgergruppen und seit dem neuesten Waffenstillstand waren sie weniger bewacht als zuvor.
- Er hatte gewartet bis die tröstende Finsternis der Nacht das Land bedeckt hatte und alles in Schwärze verbarg. Langsam und ohne Hast war er an ihr Lagerfeuer getreten, ein Mann in tiefroter Rüstung, einem Zweihänderschwert auf dem Rücken und einem blauen, unnatürlichen Schimmer auf seinen Augen. Die Reaktion der Menschen konnte er nicht ganz nachvollziehen, agierte er doch vollkommen provokationslos und friedlich. Er grüßte sogar, wie es sich gehörte, doch schien dies noch problematischer zu sein, ergriffen einige doch die Flucht ,blieben aber rasch stehen als sie merken, wie finster es außerhalb des Lichtscheins des Lagerfeuers war. Also taten sie das, was Menschen immer tun wenn sie sich fürchten. Sie schrien und griffen nach Stöckchen zum Verteidigen und hockten sich zu einem Knäuel zusammen. Doch ehe sie noch lauter schreien konnten sprach er mit erdiger Stimme: "Einen Keks."
Stille. Absolute Stille. Angenehm für einen dunklen späten Abend, doch nicht die erwartete Reaktion. Für einen kurzen Moment überlegte er ob er vielleicht eine falsche Sprache benutzt hatte. Er blickte konsterniert zwischen den Versammelten hin und her. Vielleicht fehlte eine Art Überzeugung, oder ein Zeichen guten Willens. Er versuchte es erneut. "Einen Keks. Bitte."
Ein Mädchen schob sich durch die Reihen der Pilger nach vorn und ging auf ihn zu, scheinbar ohne Furcht, bis sie vor ihm stand und den Kopf in den Nacken legte um zu ihm aufzublicken. Sie ging ihm gerade einmal bis zum Gürtel. In der Hand hielt sie etwas rundes, reichte es zu ihm hoch.
"Mein letzter", sagte sie aber schien die Trennung gut zu verkraften.
"Mein Dank."
Reyfus nahm den Keks und neigte höflich das Haupt zu der Kleinen, dann drehte er sich um ging, verschmolz schon nach wenigen Schritten mit der Schwärze der Nacht.
Die zweite Hälfte lag noch immer in einer Hütte von Darrowehr, die ihm als Unterkunft diente, wenn der Regen zu lästig wurde. Aus einem ihm nicht erfindlichen Grund fand er es richtig, sie aufzubewahren. Vielleicht lag es auch nur daran, dass er keinen Hunger auf Süßes verspürte.
Die Hoffnung erhob sich langsam über den Ruinen von Darrowehr, tröstendes Licht auf verdorbenen Geist.
Teil 7[]
Ein kühler Wind streift über den See, sanfte Wellen wiegen sich in der Dämmerung des Morgens.
Wie schon hunderte und aberhunderte Male zuvor stieg Reyfus in den Sattel. Das Leder knarzte leicht, das Pferd schnaubte kurz, dann waren Reiter und Ross zu einer Einheit verschmolzen, die es gewohnt war, als eins zu agieren, egal welcher Bedrohung sie gegenüberstanden.
Nicht weit weg von ihm tat Lady Brihanna das gleiche.
Diesmal war es keine Bedrohnung der sie entgegen ritten, es war vielmehr eine Suche. Suche nach Wissen, nach Erfahrung, nach Hoffnung, nach Erlösung. Der Weg nach Sturmwind war weit, doch sie hatten Zeit. Wind und Wetter hielten sie ebenso wenig auf wie Müdigkeit oder Hunger. So lang die Reise aus sein würde, es war kaum mehr als ein weiterer belangloser Wimpernschlag in der Unendlichkeit der Existenz ihrer Art.
Irgendetwas war an der jungen Ritterin, was seine Aufmerksamkeit erregte, was ihr Wesen verankert hielt in seiner stetig wandelnden und doch gleichbleibenden Wahrnehmung. Was es war, das würde er vielleicht in den kommenden Tagen erfahren.
Ein kühler Wind streift über den Seele, sanfte Wellen wiegen sich in der Dämmerung des Bewusstseins.
Teil 8[]
Dunkle Wolken zogen tief über den See dahin, verhüllten diffusen Schleiern gleich das Land.
Es war bereits mehrere Mal hell und wieder dunkel geworden, seit er und seine Schwester aus Sturmwind zurückgekehrt waren. Wie oft, vermochte er nicht zu sagen. Er befasste sich nicht mit Dingen wie Dauer, es spielte keine Rolle mehr in seiner Existenz. Und doch war er zurückkehrt mit einem kleinen schwachen Gedanken, der sich an die Dornen und Zweige seines inneren Seins krallte wie eine Zecke.
"Was ist Euer letzter Wunsch?"
Wie ein Flüstern gegen den Wind, und doch gerade so noch wahrnehmbar, stieg Wieder und wieder die Stimme von Lady Rakor in seinen Erinnerungen empor, weit entfernt und doch nie weit genug um nicht wahrgenommen zu werden.
Er hatte keine Antwort darauf. Weder damals. Noch heute. Würde er je?
Er hatte einen Eid geschworen als Paladin, sein Leben gehörte dem Licht. Vor seinem Tode. Und nun? Er existierte, für einen einzigen Zweck, einen einzigen Grund. Ein einziges Ziel. Aber war die Erfüllung dieses Zieles wirklich sein letzter Wunsch?
Mit toten blauen Augen blickte er auf das Schreiben, welches die Taube aus Sturmwind gebracht hatte, und das er nun in den Händen hielt, während die Taube sich einen halben Keks genehmigte, als Belohnung.
Reyfus wandte sich um. Die Scharniere der Rüstung knirschten leise bei der Bewegung, während die Struktur seines Körpers unter der hautähnlichen Schicht knarzte, wie man es geflochtenen Weidenzweigen kannte.
Gemäßigten Schrittes verließ er die Hütte und ging hinüber zu seinem Bruder und Mentor, der seit seiner letzten Erstehung schweigsamer geworden war. Sir Viktors Licht hatte zu flackern begonnen und ein Teil davon war erloschen.
"Bruder. Eine Nachricht aus Sturmwind. Sie wünscht Euch zu treffen."
Reyfus reichte Viktor das Schreiben von Lady Oderike, verharrte schweigend ob der Reaktion des Älteren. Doch für einen winzig kurzen Moment ertappte er sich bei dem Wagnis eines Gedankens. Des Gedankens, was wohl Viktors letzer Wunsch sein würde.
Dunkle Wolken zogen tief über die Seele dahin, verhüllten diffusen Schleiern gleich das Bewusstsein.
Teil 9[]
Warm und hell strahlte das Licht über der Kathedrale, vertrieb die Schatten und spendete Trost.
Doch weder Trost noch Licht erreichten die Zellen des Kerkers von Sturmwind, welcher sich fensterlos unter den Quartieren des Wachregiments befand.
Verschwunden war das ewige Flüstern, das sie umgab.
Verschwunden war das Gefühl der Gemeinsamkeit.
Verschwunden war das Wissen, eins zu sein, in dieser wie der anderen Welt.
Finsternis. Schwärze. Stille.
Einzig und allein das sanfte Knarzen von Zweigen und Ästen von nur aus Reflex getätigten Atemzügen seiner Schwester ließ ihn wissen, dass er nicht allein hier war.
Reyfus saß mit gekreuzten Beinen auf dem steinernen Boden, die Hände auf die Knie gelegt, die Augen geschlossen, das HAupt gesenkt. Er lauschte. Lauschte nach seinem Bruder, seinem Mentor, der seinen Weg durch das Geflecht bestritt und der wie schon zuvor einen Anker brauchen würde um zurückzufinden.
Doch er sah ihn nicht. Hörte ihn nicht. Das Geflecht war verstummt. Versperrt. Und das erste Mal seit Jahrzehnten in dieser Existenz regte sich in seinem Inneren etwas, was er von früher kannte. Sorge.
Viktor hatte ihm die Kommandantur des Kaders übertragen, ehe er seinen letzten Weg gegangen war, hatte ihm, Reyfus, die Bürde auferlegt, die Führung zu übernehmen und die Hand der Treue in die Erlösung zu führen.
Brihanna hatte, seit sie hier unten waren, kein Wort gesprochen. Keine Regung von sich gegeben, bis auf das leichte Knarzen der Zweige die ihren Körper formten.
Diese Stille war ihm zuwider. Erst jetzt konnte er nachvollziehen, was sein Bruder und seine SChwester bereits einmal erlebt hatten, als sie vor Monaten das erste Mal in Sturmwind gewesen waren. Waren es Monate? Oder gar Jahre? Oder doch erst gestern? Zeit existierte nicht mehr, spielte keine Rolle mehr. Nur das Geflecht war von Bedeutung, das stete Flüstern der anderen, das Wissen um die Gemeinschaft, von der sie nun getrennt waren.
Unruhe regte sich in ihm, welche der schläfrige Setzling in ihm diesmal nicht zu unterdrücken vermochte. Er war ebenso von seinem Herrn getrennt.
Ungehört flogen seine Gedanken in die Leere des Nichts seiner abgeschotteten Existenz.
Viktor, mein Bruder, mein Mentor. Sei stark für uns. Strahle für uns. Strahle für sie. Zeige ihnen den Weg, Seelenlicht!
Reyfus "der Ungebrochene" Lestrade, Kommandant, öffnete die Augen, die in einem unmenschlich kaltem Licht erstrahlten und hob langsam den Kopf.
Warm und hell strahlte das Licht über der Kathedrale, vertrieb die Schatten und spendete Trost.
Teil 10[]
Das Flüstern der Stimmen verebbte, die Seelen der Toten kehrten heim.
Er lag auf dem Rücken. Kraftlos. Erschöpft. Das dumpfe Schmatzen des Schleims hallte in der Höhle wieder, während Ranken sich umschlangen, verdrehten, verwoben.
Viktor? Seelenlicht!
Das Geflecht war weit entfernt gewesen. Kein Flüstern. Keine Verbindung. Nur Dunkelheit und Stille. Und das Wissen, dass ER sich nicht täuschen lassen würde. Das Gefühl dass die Existenz des Bruders verging.
Er wird dich nicht kriegen!
Eine schwarz gepanzerte Hand, verziert von roten, aderngleichen Ornamenten, hatte sich in der Finsternis der Zelle erhoben, hatte die Riemen des Brustpanzers gelöst welcher mit einem metallischen Schlag zu Boden gefallen war. Das fahle Gewebe, welches sich wie eine Haut über das Konstrukt aus Zweigen und Ästen spannte, war erbebt. Tief, im Inneren, schlummerte der Setzling, geschützt von Hülle in menschlicher Form. Ein kurzer Moment des Verharrens, ehe die Hand durch das Gewebe und das Geflecht gegriffen und den Setzling gepackt hatte, ihn aus seiner Höhle und seinem Schlummer ins Freie riss.
Unser Blut für Lordaeron.
Das Kreischen des Setzlings hallte noch immer in seinem Kopf wieder, zerrissen die Fäden der Wahrnehmung und verschlangen Sicht und Gehör. Die Ranken wandten sich wild umher, suchten erneut den sicheren Hort ihres Wirtes, doch der Griff der gepanzerten Hand war unerbittlich gewesen. Finger schlossen sich erbarmungslos um den widernatürlichen Spross, und mit jedem weiteren Millimeter, den er zerquetscht wurde, geschah gleiches mit dem Körper des Wirtes, noch immer in untrennbarer Symbiose verbunden. Ein letzter Blick zu seiner Schwester, ehe die Ranken erschlafft waren und die Finsternis über Reyfus gestürzt war, ihn mit sich riss hinein in das Geflecht, welches aufgewühlt wogte und vom letzten Aufbäumen gegen seinen Schöpfer verkündete.
Ewig herrsche Haus Menethil!
All sein Willen, all seine Entschlossenheit, hatten sich in einem letzten finalen Widerstand gebündelt, der ihn befähigte, sich vor den Bruder zu stellen, der kurz davor war, ein für alle Mal verschlungen zu werden und dessen geschundener Körper kurz darauf erneut in Stücke gebrochen wurde, als die Axt des willenlosen Dieners ihn zerschlug, der kurz darauf von einem finalen Schlag selbst gefällt wurde.
Reyfus fühlte den Sturz nicht. Die Welt drehte sich, sank tiefer und zog ihn mit sich, bettete ihn in der Dunkelheit, aus der ferne Stimmen zu hören waren. Er sah Lichter, wie sie davon zogen, verschwanden, immer mehr und mehr. Stille breitete sich aus im Geflecht. Neben ihm spürte er die Präsenz seines Bruders, weit entfernt, kaum spürbar, die Brüder und SChwestern in Lordaeron.
Eine bekannte Stimme drang in sein Bewusstsein. Er hatte sie schon einmal gehört, gar nicht lange her. Doch die Erinnerung schwand. Immer weiter weg zog sie davon, wie die Seelen der Toten. Aus Dunkelheit wurde Finsternis. Aus Finsternis wurde Schwärze. Und sie umfing ihn wie ein Tuch, welches sich tröstend um ihn schmiegte.
Das Flüstern der Stimmen verstummte, die Seelen der Toten blieben allein.
Teil 11[]
Tief hingen die grauen Wolken über den Bergen, ehe ein Sonnenstrahl das erste Grün des Frühlings berührte.
Sein Pferd trabte in einem gemächlichen Schritt voran. Sein Reiter ließ die Zügel recht locker und lenkte nur selten korrigierend nach, war dem Tier der Weg doch bekannt. Den Pass des Zugwindgipfels hatte er bereits hinter sich gelassen. Die sanften Hänge des Hinterlandes begannen gerade erstes frisches Gras zu zeigen und wirkten für den normalen Betrachter ungewöhnlich friedlich im Vergelich zu den letzten Monaten, doch nicht für Reyfus.
Worte drangen wie ein entferntes Flüstern an sein Ohr. Warnungen, Hilferufe, Schmerzensschreie. Die Hufe seines Pferdes rutschten auf dem durchweichten Boden weg und mit einem Blick auf den Grund sah er den bleichen Knochen eines menschlichen Schädels im Schlamm. Ein weißglühender Blitz zuckte durch seine Wahrnehmung, ließ ihn erstarren und im Reflex den Arm an seine Seite pressen, während sein Pferd unbeirrt weiter trabte und das alte Schlachtfeld durchquerte, von dem nur noch spärliche Reste zeugten.
Der Schreie der Sterbenden hing auch jetzt noch in der Luft, ihre Schmerzen wogten über dem Feld und durchdrangen die, die sie zu spüren vermochten.
Eine Hand ballte sich knarzend zu einer Faust und griff die Zügel fester, ein leichter Druck mit den Beinen und das Pferd trabte etwas schneller um den Ort schneller hinter sich zu lassen.
Ab und an, in einem kurzen Moment aufkeimender Erinnerung, fühlte er erneut das Reißen und Zerren und den Schmerz vom Verlust seines Bruders, Sir Kaleb, doch mit einer unbestimmbaren Erleichterung wusste er, dass sein Bruder nicht vollends verloren war. Noch immer verstand er nicht ganz, warum sie zurückgerufen worden, warum sie von ihrer Aufgabe abgezogen und auf Distanz geschickt worden waren, doch die Antworten hierzu würden sich ihm hoffentlich bald ergeben.
Der trübe Tag wurde zu einer diffusen Nacht, die kalte Nacht wurde zu einem klammen Tag. Die dunklen Wolken Lordaerons lagen weit hinter ihm und waren den grauen Nebelschleiern des Sumpflandes gewichen, nur um später den vereisten Bergpfaden von Khaz Modan den Weg zu bereiten. Irgendwann, nach mehreren Tageszyklen, erhob sich am Horizont ein Gebirgszug, dessen Hänge in einem warmen rostrot in der Abendsonne leuchteten, wovon er seinen Namen erhalten hatte - Rotkammgebirge.
Tief hingen graue Wolken über den Gedanken, ehe ein Lichtstrahl das erste Grün der Hoffnung berührte.