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Noch mehr Gedanken eines ehemaligen Knappen - oder: aus dem abwechslungsreichen Leben des Sir Veyt van Roth[]

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Kategorie:Orden des ErbauersKategorie:Geschichten

Teil 37[]

Es war ein Spätsommerabend in Sturmwind. Die letzten Sonnenstrahlen schienen warm und golden auf den Kathedralenplatz und nur ab und an erinnerte eine kühle Brise des Abendwindes daran, dass es nicht mehr lange sein würde, bis das Land sich auf die Stille des Winters vorbereiten würde.

Veyt saß auf einer Bank unter den Bäumen, auf seinem Schoß lag, in einen dicken roten Umhang gehüllt, noch immer die Rüstung von Sir Viktor von Brill. Der alte Paladin war gegangen, um die seinen zu retten und ihnen zu helfen. Ein Kloß drückte ihm den Hals zu wenn er daran dachte, wie er kniend den Richtschlag von Oderike empfangen hatte. Trotz des Schmerzes, den er vermutlich dennoch gespürt hatte, hatte er eine unfassbare Ruhe ausgestrahlt, bar jeder Angst vor dem, was kommen würde. Würde er selbst je auch so sein?

Seine Finger strichen über das schwarz brünnierte Metall der Rüstung, über das sich Adern gleich rote Muster zogen, welche in dem warmen Sonnenlicht die Farbe von frischem Blut hatten. Die Rüstung war alt und hatte schon viele Kämpfe gesehen, doch noch immer wirkte sie tadellos gepflegt. Zwischen den einzelnen Teilen lag noch immer etwas Erde und altes Laub. Reste ihres Trägers, der, wie schon zuvor, in seinem Tode zerfallen war.

Veyt atmete schwer aus und machte sich daran, mit einer Hand den Schmutz wegzuwischen. Er zuckte kurz zusammen und hielt inne als ihn etwas heftig in in die Hand stoch, ungeachtet seiner Plattenhandschuhe.

Ein kühler Wind frischte auf und ließ die Blätter der Bäume flüstern. Von irgendwoher hörte er ein helles Lachen. Er schaute sich um. Auf dem Kathedralenplatz spielten, wie so oft, die Kinder des Waisenhauses ihr unbekümmertes Fangen. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, sie um ihre Unbeschwertheit beneidend.

Erneut stach es in seiner Hand und er biss die Zähne zusammen, doch als er die Hand zurückziehen wollte um nachzusehen, konnte er das nicht. Er spürte wie es ihm heiß und kalt den Rücken hinab lief als er sah, wie sich nadeldünne, grünne Triebe zwischen den erdigen Klumpen emporschoben und sich gen Licht wanden. Nein. Nein, nicht gen Licht. Sondern zu ihm!
Abermals spürte er den Stich und diesmal sah er auch, wieso. Zwischen den Metallplatten die seine Finger schützten schoben sich hier und da grüne Triebe voran, umschlangen die Finger, die Hand, und senkten sich auf sienem Handrücken wieder durch Stahl und Fleisch, als wäre beides aus warmer Butter. Langsam, immer weiter, wuchsen zwischen den dünnen Trieben erste Blätter, schoben sich größere Blätter nach und eine Knopse begann sich zu bilden. Der Setzling war nicht tot, er war verdammt lebendig und jetzt suchte er sich einen neuen Wirt.

Wieder hörte er das Lachen, doch diesmal klang es dunkler, erdiger, gemischt mit Schmerz und Wahnsinn. Die Blätter rauschten als eine eisige Brise über den Platz fegte und sie zu einer Säule aufwirbelte, die kurz den Platz in Schatten hüllte. "Du kannst sie nicht alle retten", flüsterte etwas neben seinem Ohr.

Veyt fuhr herum, doch dort war nichts. Er blickte hastig zur anderen Seite, wo ein Junge etwas abseits der anderen stand und breit grinsend zu ihm herüber blickte. Veyt wollte ihn rufen, doch kein Ton drang aus seiner Kehle. Die Ranken schoben sich weiter und weiter und verwoben sich Stück für Stück um ihn, machten ein Bewegen unmöglich. Der Junge schaute weiterhin zu ihm, die Haare so blond, dass sie fast schon weiß waren, die Haut sommergebräunt. Hinter ihm tauchten zwei weitere Kinder auf, fassten ihn an den Händen und zogen ihn mit.

"Viktor? Viktor! Komm mit, du musst den Kreis schließen!"

Lachend rannten sie zu dritt davon, zwei Jungen und ein dunkelhaariges Mädchen, während die Schatten immer weiter über den Kathedralenplatz krochen, je weiter das Licht der Sonne schwand.
Schweiß perlte ihm auf der Stirn, während er nach Atem rang, während sich der Setzling weiter erholte und wuchs und seine Ranken sich enger und enger um Veyts Körper zogen und ihm die Platten seiner Rüstung auf den Körper pressten dass er Angst hatte, die Knochen darunter würden jeden Moment nachgeben. Zwischen seinen Fingern tropfte Blut auf den Boden, träge und zähflüssig und in der Dämmerung schwarz statt rot. Die Wipfel der Bäume schienen sich zu ihm hinab zu neigen, als wollten sie ihn vor neugierigen Blicken schützen.

Erneut frischte der Wind auf und zerrte an seinen Haaren. Eiskalt fuhr es ihm unter die Haut und ließ ihm die Haare zu Berge stehen. "Du kannst sie nicht alle retten!" flüsterte es erneut im Wind, diemal lauter, deutlicher. Tränen stiegen ihm in die Augen während er verzweifelt nach Atem rang. Wie durch einen Schleier verschwamm seine Sicht. Zwischen seinen Füßen wich der feste Stein einer wabernden Masse aus Schleim und Geflecht. Der Setzling zwischen seinen Händen streckte sich ihm weiter und wieter entgegen, wie ein Kind, dass die Arme streckte, um hochgehoben zu werden. Flüstern im Wind, welches ihn umgab. Zauberweber, der Gestank nach Fäule, das diffuse Wabern einer widernatürlichen Höhle, in der sich vier Kreaturen daran machten, erneut das verdorbene Werk des Wandlers zu erschaffen. Veyts Arme begannen unkontrolliert zu zittern. Diesmal war es nicht der Körper von Sir Viktor, der in ihrer Mitte lag, und langsam wieder seine Gestalt erhielt. Diesmal...

Das erdige Lachen erklang erneut und schien den Boden beben zu lassen. Veyt hob den Kopf so gut er es noch konnte und blickte um sich. Er wollte schreien doch das einzige Geräusch was er hervorbrachte war ein nervenzerfetzter spitzer Ton, scharf wie zerspringendes Glas, wie jener Schrei, den er kurz vor seinem Sturz zurück in die Welt noch gehört hatte. Seine Trommelfelle vibrierten schmerzhaft und Tränen rannen ihm über die Wangen während er die Augen zukniff und hoffte, dass es endlich vorbei sein möge...





Etwas berührte ihn an der Schulter und ließ ihn zusammenzucken. Er brauchte einen Moment um zu registrieren, dass er nur einen Tagtraum gehabt hatte. Neben ihm, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, stand ein kleiner Junge vom Waisenhaus, mit weißblonden Haaren und sommerbrauner Haut.

"Gehts Dir gut?", fragte er ihn und legte dabei den Kopf schief.

Veyt rang sich ein Lächeln ab und nickte.

Der Junge nickte ebenso, dann winkte er ihm kurz und rannte zurück zum Waisenhaus.

Müde fuhr sich Veyt mit der Hand durch die schweißnassen Haare. Er schaute auf seinen Handschuh. Nichts. Keine Spuren von Ranken oder Stichen. Er schaute auf die Rüstung, die noch immer auf seinem SChoß lag. Zwischen den Brustplatten lag, halb zwischen den verbliebenden Erdklumpen verborgen, ein kleines grünes Rosenblatt, vemutlich noch vom Friedhof. Er nahm das Blatt behutsam und pflückte legte es hinter sich auf die Umrandung des Baumes. Dann schlug er den Umhang wieder über die Rüstung, erhob sich und ging in Richtugn Ordenshaus.

Die Kinder spielten unbekümmert weiter und der Blonde war gerade dabei, ein Hüpfspiel auf den Boden zu malen, "Licht und Nether", welches Veyt selbst noch aus seiner eigenen Kindheit kannte. Er war gerade dabei die letzten Kreidestriche zu vollziehen als er zu Veyt aufblickte und ihm grinsend die Kreide entgegen hielt, auf die obersten Teil des Spieles zeigte.

"Der Kreis muss geschlossen werden. Kannst du das?"

Veyt hätte beinah das Bündel fallen lassen. Zufall. Es war ein Zufall, mehr nicht. Er nickte und nahm die Kreide, kniete sich hin und vollendete die Spielfläche. Dann reichte er dem Jungen die Kreide zurück, der noch immer breit grinste, als kenne er keine Sorgen. Er nickte ihm zu und mit einem überraschend geflüsterten "Danke" rannte er davon, zu einem anderen hellhaarigen Jungen und einem dunkelhaarigen Mädchen. Die Matrone stand am Eingang des Waisenhauses und nickte Veyt freundlich zu, blickte dann den Kindern nach.

"Viktor? Du sollst nicht immer rennen!" rief sie dem Jungen noch nach.

Ein kalter Wind erhob sich und verkündete untrügbar vom Ende des Sommers, vom Beginn des Herbstes und vom bald bevorstsehenden kalten Griffs des Winters. Veyt ging die Stufen hinauf zum Ordenshaus und schloß hinter sich die Tür. Auf der anderen Seite des Kathedralenplatzes, hinter einer Bank, auf der Umrandung eines Baumes, lag ein grünes helles Blatt, welches vom Wind auf die bemooste Erde geweht wurde.

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