Forscherliga-Wiki
Forscherliga-Wiki
Advertisement

Noch mehr Gedanken eines ehemaligen Knappen - oder: aus dem abwechslungsreichen Leben des Sir Veyt van Roth[]

Gedanken eines Knappen - Navigation
Gedanken eines Knappen - Teil 1  •  Teil 2  •  Teil 3  •  Teil 4  •  Teil 5  •  Teil 6  •  Teil 7  •  Teil 8  •  Teil 9  •  Teil 10  •  Teil 11  •  Teil 12  •  Teil 13  •  Teil 14  •  Teil 15  •  Teil 16  •  Teil 17  •  Teil 18  •  Teil 19  •  Teil 20  •  Teil 21  •  Teil 22  •  Teil 23  •  Teil 24  •  Teil 25  •  Teil 26  •  Teil 27  •  Teil 28  •  Teil 29  •  Teil 30  •  Teil 31  •  Teil 32  •  Teil 33  •  Teil 34  •  Teil 35  •  Teil 36  •  Teil 37  •  Teil 38  •  Teil 39  •  Teil 40  •  Teil 41  •  Teil 42  •  Teil 43  •  (von Veyt van Roth)
Kategorie:Orden des ErbauersKategorie:Geschichten

Teil 32[]

Gedankenknappen32

Müde saß Veyt in der kleinen Kapelle von Herdweiler. Die letzten Tage waren mehr als anstrengend gewesen und zerrten an seinen Kräften wie an seinen Nerven. Schlafen zu gehen traute er sich nicht nach den letzten Erfahrungen und selbst Alkohol schien nicht die erhoffte Wirkung gehabt zu haben, ihm einen traumlosen Schlaf zu bescheren. Sein Kopf lehnte an der kühlen Steinwand und der Weihrauchduft gab ihm ein leichtes Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.

Genagelte Stiefel eilten ab und an durch das Kapellenschiff im vergeblichen Versuch, möglichst keine lauten Geräusche zu machen, was irgendwie erst recht das Gegenteil bewirkte. Draußen vor der Tür konnte er Pferde schnauben hören. Ja, er würde bald aufbrechen müssen. Bald schon.

Er atmete tief durch und schloss einen Moment die Augen. Wie lange würde er wohl hier sitzen können. Oder versteckte er sich nicht eher? Der monotone Singsang zweier betender Kathul gaben der ganzen Szene etwas unglaublich friedliches und für einen kurzen Moment fühlte sich Veyt entspannt und sorgenlos. Wieder kam Stiefel in die Kathdrale. Worte konnte er hören, leise geflüstert. Sein Name. Er nickte im Wissen, dass es soweit war und er aufbrechen musste.

--

Wieder lag ein Dunstschleier auf dem See vor Darrowehr. Die Bäume, die das Ufer säumten, wirkten finster, fast schon schwarz, verhüllt im Nebel, der die bekannte Welt auf ein Minimum reduzierte. Eisige Kälte lag über dem Land während zwei Reiter sich der alten Brücke näherten, welche zu den Ruinen von Darrowehr führten.

Veyt ritt mit Pater Aedan Seite an Seite. Die Pferde zerrten ab und an an ihren Zügeln und bockten. Sie mochten die Ausstrahlung dieses Ortes nicht und wer konnte es ihnen verübeln. Dumpf hallten die Hufe auf dem maroden Stein der Brückenpflasterung als sie den Darrosee überquerten als würde die Luft alle Geräusche sofort absorbieren. Das Wasser unter ihnen ruhte träge und machte eher den Eindruck von einer gelantineartigen, festen Masse.

Das Banner des Kaders der Hand der Treue flatterte wie ein Relikt aus einer anderen Zeit über ein paar Hütten und Zelten am Ufer des Sees.

"Redet mit ihnen. Erklärt ihnen, dass wir das Samenkorn nicht aushändigen werden."

Das waren die Worte seines Vaters gewesen. Je näher sie kamen um so unmöglicher schien die Aufgabe zu sein. Absurd. Unschaffbar. Wie sollten sie das anfangen? Erst vor wenigen Tagen hatte er um Verlängerung der Frist gebeten und sie gewährt bekommen und nun?

Mit einem hölzernen Knarzen, dass durch Mark und Bein zu gehen schien, öffnete sich die Türe einer der Hütten und heraus traten Sir Maltius uns Sir Victor. Zwischen den Hütten tauchen noch mehr in roter Rüstung auf, verschwimmen scheinbar zu einer Masse die ebenso träge wirkt wie das Wasser des Sees.

Veyt stieg von seinem Pferd ab. Aedan tat es ihm gleich. Respektvoll grüßte er die Paladine, welche stumm zum Gruße zurück nickten.

Die Pferde rissen erneut an ihren Zügeln, diesmal erfolgreich und galoppierten aus dem kleinen Lager, zurück in Richtung Brücke. Großartig. Für einen kurzen Moment schaute er ihnen ein wenig verzweifelt nach. Sollte er ihnen folgen und sie einholen? Oder sollte er hierbleiben und später sehen, ob er ganz zu Fuß gehen musste oder die Pferde gnädigerweise doch noch vor Herdweiler angehalten waren?

Rote Schatten schoben sich in sein Sichtfeld. Die Paladine bildeten einen Kreis um sie. Schlagartig war Veyts Aufmerksamkeit wieder auf die Erscheinung des Scharfrichters fixiert, der sich gefühlt einen Kopf größer nun vor ihm erhob und mit seinen kalten, strengen Augen auf ihn hinab blickte.

"Ihr habt uns angelogen", hallte dessen Stimme blechern und tot unter dem Helm hervor, ehe Veyt auch nur ein einziges weiteres Wort hervorbringen konnte. Angst packte ihn und hielt ihn fest. Aedan neben ihm rührte sich nicht, nicht minder der Lage bewusst.

Er konnte nicht leugnen, dass sie nie die Absicht gehabt hatten, das Korn herauszurücken, aber das hatte er doch gesagt. War es eine Lüge? War es Verrat? Er war doch ehrlich gewesen, oder?

"Ihr habt uns verraten."

Die Worte von Sir Maltius schnitten mit eisiger Kälte direkt in Veyts Gewissen und hinterließen dort die absolute Erkenntnis, dass der alte Paladin recht hatte. Veyts Blick huschte an ihm vorbei, suchte Lady Brihanna oder Sir Victor, aber beide waren nicht zu sehen, oder nicht zu erkennen.

Veyt versuchte etwas zu sagen, wollte erklären, wollte gestehen. Verdammt, ja, er wollte gestehen. Er musste! Der Scharfrichter stand vor ihm und konnte in seinen Augen sehen. Er war schuldig! Er musste gestehen und die Strafe auf sich nehmen um den Pater zu schützen, doch... es kam kein Laut über seine Lippen. Nichts. Er versuchte es, wollte seine Zunge zwingen, sich zu bewegen, doch ein unsichtbares Band schnürte ihm den Hals zu. Er versuchte den Arm zu heben als erstes Zeichen eines Wunsches zum Reden, doch auch das gelang ihm nicht.

Wie steifgefroren stand er im Kreis aus roten Rüstungen, die nun näher zusammenrückten, ihm noch mehr die Luft zum Atmen raubten. Sir Maltius stand unbewegt vor ihm. Und Veyt wollte einfach nur noch laufen. Weg. Weg, oder es wird das Ende sein! Wie konnte er nu....

Ein eiskalter, stechender Blitz schlug in seinem Körper ein und beendete den Gedanken abrupt. Binnen eines Augenschlags hatte er das Gefühl als würde er schweben, des Gefühls in den Beinen beraubt. Er hörte Aedan schreien, als wäre dieser meilenweit von ihm entfernt und nicht direkt neben ihm und er wollte nach ihm sehen, doch er konnte den Kopf nicht bewegen. Mit einem Ruck kam der Boden ihm entgegen, als seine Beine nachgaben und er auf die Knie sank. Gestank von Fäulnis udn Verderben stiegen ihm in die Nase. Veyt zwang sich mit aller verbliebenen Kraft nach unten zu blicken und die Erkenntnis traf ihn wie einen Schlag, als er die Klinge von Sir Victor sah, zumindest die Spitze, die aus seinem eigenen Leib ragte. Der Boden unter ihm wurde dunkel, fast schwarz, während sein Blut ihn tränkte. Risse bildeten sich darin, dornige Ranken und stachelige Blätter schoben sich aus den Spalten empor, reckten sich ihm entgegen und umschlangen ihn in fast dem gleichen Atemzug. Veyt wehrte sich nicht. Selbst wenn er gewollt hätte, er konnte nicht. Keine Luft, keine Kraft, keine Stimme, kein letztes Gebet, kein Trost, kein Licht.

Dunkelheit quoll aus dem Schatten unter ihm empor, hüllte ihn und die anderen gänzlich ein. Schwarze Schlieren, die sich verformten, verfestigen und schließlich eine Gestalt hervortreten ließen. Eine Schwarze Rüstung schützte die Gestalt. Dunkle Haaren hingen in das mit einem kurzen Bart versehene, scharf gezeichnete Gesicht und verdeckten die Augen. Die Schritte waren langsam, aber wohl platziert. Sir Maltius trat zurück und reihte sich in den Kreis der anderen, ließ so dem Neuankömmling Platz, dessen Rüstung nun einen roten Schimmer offenbarte. Der schmale dunkle Mund unter dem strähnigen Haar verzog sich zu einem Lächeln. Veyt spürte noch den Ruck als die Klinge aus ihm gezogen wurde und stürzte halt- und kraftlos vornüber, als der Neuankömmling ihn mit beiden Händen packte und aufrecht hielt.

Doch die Hände waren nicht von schwarzen Plattenhandschuhen geschützt. Sie waren rot. Rot wie die Rüstungen der anderen. Das Lächeln versprühte einen Hauch von Wärme und Freundlichkeit ehe sich eine der Hände flach auf Veyts Brust legte. Zwischen den Segmenten der Plattenhandschuhe schoben sich kleine Wurzeln hervor, näher und näher und drangen schließlich zielstrebig in Veyts Körper ein, als wäre das Metall seiner Rüstung nichts als dünnes Papier. Er wollte schreien, doch er konnte nicht. Alles, was ihm blieb, war sein Gegenüber anzusehen als dessen Kopf seinen fast berührte und seine Augen unter den Haaren sichtbar wurden. Dunkle Augen, doch voller Güte. Wach und klar, voller Wärme. Verständnis. Gerechtigkeit. Würde. Ritterlichkeit. Erhabenheit. Segen. Die Sonne kämpfte sich durch die Nebelschwaden am See und ließ die Rüstung des Mannes in einem kräftigen Rot erscheinen.

Weiter schoben sich die Wurzeln in seine Brust, durch sein Herz, hinauf in seinen Hals, bis er sicher war, sie in seinem Kopf zu spüren. Er öffnete den Mund zu einem letzten Schrei doch wurde er erstickt von fleischen Blättern die aus ihm sprossen und sein letzter Gedanke hämmerte durch seinen Verstand.

Sir Marcus!

--


Von irgendwo her drangen Fetzen von Lauten an seine Ohren.

"..ir Vey...?"

Kathul. Die Stimme eines Kathul. Er kannte sie, schon aus Sturmwind. Lyr....

"Sir Veyt?!"

Die Stimme des Kathul war nun deutlich lauter und ein Ruck ging durch seinen Körper und riss an seinem Bewusstsein, rüttelte ihn wach und holte ihn zurück. Die Kapelle war noch immer fast leer bis auf die zwei Kathul die noch immer beteten. Lyrelle stand vor ihm, sah ihn besorgt an. Ihre Hand lag auf seiner Schulter.

"Geht es Euch nicht gut, Sir?"

Veyt brauchte einen Moment um zu registrieren dass er offenbar eingeschlafen. Er schaute sich um, dann zu Lyrelle und rang sich ein freundlches Lächeln ab, schüttelte den Kopf.

"Danke, Kathul. Alles gut."

Schmerzhaftes Krampfen in seiner Magengegend machte ihn seiner Lüge bewusst. Warum tat er das?

"Sir, die Pferde wären bereit, falls Ihr aufbrechen wollt."

Veyt nickte und erhob sich. Die Gelenke schmerzten, die Knochen summten, der Kopf dröhnte, aber er sagte nichts. Statt dessen ging er mit einem dankenden Nicken an der Kathul vorbei in Richtung Ausgang wo er noch einmal kurz stehenblieb und in die Kapelle blickte. Für einen kurzen Moment war ihm, als würde eine Spur des Duftes von frischer Erde mit im Weihrauch liegen. Ungläubig schüttelte er den Kopf und trat ins Freie.

Advertisement