Noch mehr Gedanken eines ehemaligen Knappen - oder: aus dem abwechslungsreichen Leben des Sir Veyt van Roth[]
Gedanken eines Knappen - Navigation |
---|
Gedanken eines Knappen - Teil 1 • Teil 2 • Teil 3 • Teil 4 • Teil 5 • Teil 6 • Teil 7 • Teil 8 • Teil 9 • Teil 10 • Teil 11 • Teil 12 • Teil 13 • Teil 14 • Teil 15 • Teil 16 • Teil 17 • Teil 18 • Teil 19 • Teil 20 • Teil 21 • Teil 22 • Teil 23 • Teil 24 • Teil 25 • Teil 26 • Teil 27 • Teil 28 • Teil 29 • Teil 30 • Teil 31 • Teil 32 • Teil 33 • Teil 34 • Teil 35 • Teil 36 • Teil 37 • Teil 38 • Teil 39 • Teil 40 • Teil 41 • Teil 42 • Teil 43 • (von Veyt van Roth) |
← Kategorie:Orden des Erbauers ↔ Kategorie:Geschichten → |
Teil 31[]
Erneut lag ein Dunstschleier auf dem See vor Darrowehr. Die Bäume, die das Ufer säumten, wirkten dunkler und bedrohlicher, verborgen im Nebel, der noch immer die Gipfel der Bergketten verbarg. Noch immer war die Sonne nur als diffuser hellerer Fleck im Grau des Himmels zu erkennen. Eisige Kälte kroch langsam vom See her über den Boden und hüllte das Land mit festem Griff ein, ließ den Atem als kleine Wolken sichtbar werden.
Veyt stand an einem Lagerfeuer im Zugwindlager, Jacarda, die Knappin seines Vaters, neben ihm. Drei Reiter näherten sich ihnen. Die Rüstungen in einem stumpfen rot, die Helme verbargen die Gesichter, in dene kalt leuchtende Augen ihm entgegen blickten. Drei. Nicht zwölf. Innerlich fühlte er eine Last von sich fallen und doch auch eine Anspannung wachsen.
Was wenn er versagte. Was wenn Sir Maltius ihn für unwürdig befand? Was wenn er den Test nicht bestehen würde? Was wenn...
Jacarda legte ihm kaum spürbar die Hand auf den Rücken, seine Nervosität wohl spürend. Ein Punkt auf den er sich fokussieren konnte. Er dankte ihr in Gedanken.
Es war als hätte er alles schon einmal gesehen, wusste, welche Geste als nächstes kam, welches Wort, als könne er die Zukunft mit wenigen Sekunden Vorsprung vorhersagen.
Drei Reiter, nicht zwölf, erreichten das Lager und saßen ab, reihten sich vor ihnen auf. Sir Victor und Lady Brihanna und zwischen diesen beiden stand der, mit dem er ein Gespräch gesucht hatte. Sir Maltius. Es konnte nur er sein.
Veyt hatte das Gefühl als würde er die Szenerie als Zuschauer betrachten, sah sich zu Maltius blicken und ihm nickend grüßen. "Das Licht mit Euch und Ehre dem Erbauer."
Sir Maltius kam noch näher, legte eine Hand auf den Griff des Schwertes, die andere hakte er in den Gürtel und wie ein dunkles Omen hörte er die Worte des Alten Paladin, wie er sie schon einmal gehört hatte.
"Sir Veyt van Roth vom Orden des Erbauers. Ihr....wolltet mich sprechen, Paladin."
Seine Stimme klang kalt. Eisig. Eine Stimme, die keine Widerworte dulden würde, keine übereilige Fragen, keine Scherze oder gar Provokationen. Veyt spürte wie sein Herz immer schneller schlug und kämpfte damit, seine Nervosität nicht offensichtlich werden zu lassen. Er musste stark sein, Stärke zeigen. Egal was seine Gegenüber taten, er durfte nicht einen Millimeter zurückweichen.
"So ist es, Sir Maltius", hörte er sich antworten, wie er schon einmal getan hatte. Seine eigene Stimme klang unwirklicher als er erwartet hatte. Hallend, fast blechern, als trüge er einen Helm.
"Worüber?" Der drohende Unterton war nicht zu überhören. Es war ein Katz- und Mausspiel. Ein falsches Wort und Sir Maltius würde die Maus, genannt Veyt van Roth, zum Frühstück verspeisen.
"Über Sir Marcus."
Stille. 3 Paladine in rot, einer in schwarz weiss gold, ein Knappe in schwarz-weiß. Kein Vogel. Kein Insekt. Nicht einmal die Pferde gaben einen Laut von sich. Sir Maltius kam noch näher, stellte sich direkt vor Veyt, während die anderen beiden ihn flankierten.
"Der Erbauer. Sir Marcus. Ja, ich kann verstehen, dass Ihr über ihn reden wollt. Das wollen wir auch. Er fehlt uns, schon lange Zeit."
Eiskalt lief es seinen Rücken hinab und ließ ihm die Haare zu Berge stehen. Kalter Schweiß begann auf seiner Stirn zu perlen und er hoffte inständig, dass sein Gegenüber das nicht bemerkte, welcher weitersprach.
"Erlösung. Erlösung von diesem Leben. Das ist es, was wir suchen. Etwas, was uns der Erbauer nicht geben kann. Zwölf Seelen, verdammt durch einen Eid zur ewigen Suche, egal wie oft es unseren Tod bedeutet.Der Kreis muss geschlossen werden, doch ohne ihn wird es nie passieren."
Eine dunklere Wolke schob sich vor die fast unsichtbare Sonne und ließ die Schatten noch dunkler werden, die Luft kälter und biss sich in die Haut, durch diese hindurch bis tief auf die Knochen. Fast erwartete Veyt dass sich Reif auf den Rüstungen bildete.
"Ein Paladin dient dem Licht. Es ist seine Aufgabe, Seelen vor der Dunkelheit zu retten und sie heimzuführen, sie zu erlösen. Nicht war, Sir Veyt?"
Die Worte hallten dumpf über den Platz. Es schien als würde alles Leben außerhalb des Lagers aufhören, zu existieren. Finsternis legte sich über das Land, verbarg es fast vollkommen vor seinen Blicken. Der Einzige Schimmer von Licht traf auf die Versammelten. Der rote Paladin starrte Veyt durchbohrend an, als könne er bis in dessen Seele blicken. Veyt nickte nur zur Antwort, unfähig, auch nur ein Wort über die Lippen zu bekommen.
"Ihr habt mit Eurem Wappen angeboten zu helfen."
Abermals nickte er.
"Die Erlösung für die Hand der Treue. Durch die Kinder des Erbauers."
Veyt rührte sich nicht. Er spürte wie sich ein unsichtbarer Strick um seinen Hals legte und sich zuzog, ihn würgte und die Luft abschnürte.
"Was begann, muss beendet werden. Der Kreis muss geschlossen werden. Doch der Erlöser ist fern. Aber du, Bruder, du bist da. Doch bist du auch bereit, dein Wort zu halten und uns zu helfen?"
Ein Schaudern lief durch Veyts Körper während er zusah, wie Sir Maltius seine Hand am Schwert von Lady Brihanna aufschnitt und dunkles, schwarzes Blut hervorquoll. Fordernd blickten seine kalten Augen auf den Jüngeren und mit einem inneren Schrei zog Veyt seinen Dolch und tat es gleich, unfähig es aufzuhalten. „Tu es nicht!“ schrie er sich selbst zu. „Du kennst nicht den Preis, tu es nicht!“ Aber wie eine Maschine, die einmal in Gang gesetzt nicht mehr zu stoppen war, so war er auch nicht mehr in der Lage, inne zu halten. Rotes Blut mischte sich mit schwarzem in einem Kelch. Lady Brihanna hob den Kelch an, reichte ihn Sir Maltius, der ihn entgegen nahm, einen Schluck davon trank und ihn Veyt entgegen hielt.
Panik stieg in ihm auf. Das konnte er nicht tun, durfte es nicht tun. Unmöglich! Veyt drehte den Kopf leicht, hilfesuchend nach Jacarda blickend, doch sie war nicht mehr da. Dort, wo sie eben noch gestanden hatte, war nur ein dunkler, schwarzer Fleck am Boden. Sonst nichts. Als wäre dieser Flecken Erde tot bis in alle Ewigkeit. Wieder schaute er zu Maltius, der ihn noch immer durchdringend anstarrte. Er musste nichts sagen um klar zu machen, dass Veyt keine Wahl hatte, wenn er zu seinem Wort stehen wollte. Und wie zur Bestätigung hörte er sich selbst reden.
"Ich stehe zu meinem Wort.“
Sir Victor nickte.
Sir Maltius nickte. Und stellte sich nun so nah vor Veyt dass er den kalten Atem des alten Paladin im Gesicht spüren konnte, der ihm den Kelch vor das Gesicht hielt.
"Dann komm, Bruder. Komm heim und schließe den Kreis und erlöse uns."
Erst zögerte Veyt, doch dann nahm er den Kelch entgegen, führte ihn an die Lippen und schloss die Augen. Das Blut berührte seine Lippen, seine Zunge. Kalt war es. Kalt und bitter, wie schon viel zu lange abgestandener Kräutersud. Ein Hauch von Erde, und doch mit einer Spur von Eisen und Wärme erfüllt. Für einen Moment haderte er, dann schluckte er es hinab.
Er senkte den Kelch und öffnete die Augen, blickte von einem zum anderen. Zunächst spürte er gar nichts, doch dann bohrte sich ein stechender Schmerz durch seinen Körper, ließ ihn erstarren wie schon einmal. Der Kelch fiel aus seiner Hand, rollte unbeachtet über den Boden. Veyt blickte an sich hinab. Kein Schwert, wo er es erwartet hatte, keine Klinge, kein Blut. Ein erneuter Stich ließ ihn die Luft anhalten, die Arme um seinen Körper schlingen, als könne er ihn so vor dem Unsichtbaren schützen. Seine Beine begannen zu zittern und er schaute voller Angst gen Maltius, der ungerührt ihm entgegen starrte. Die Zeit der Stärke war vorbei. Wieder und wieder schoss es durch seinen Körper, als würden glühend heiße Dornen sich durch seinen Körper bohren und ihn aufspießen. Panik ließ seine Gedanken zu einen haltlosen Strudel werden als sich Ranken um sein Herz zu schlingen schienen, um es am Schlagen zu hindern. Haltlos sackte er auf die Knie. Der Geschmack von Erde und faulem Gras erfüllte seinen Mund, während sich etwas in seinen Kopf zu arbeiten schien, Ranken, Dornen, lange Wurzeln, welche sich durch seinen Körper schoben und vorwärts drängten bis sie jeden Nerv, jeden Muskel umfassten. Sein Blick fiel auf den Kelch, der direkt vor ihm lag. Der Inhalt hatte sich auf den Boden ergossen und dort, wo zuvor totes Erdreich gewesen war sprossen nun dutzende kleine Pflanzen, deren dicken fleischigen Blätter mir Dornen und Stacheln versehen waren und sich ihm entgegen streckten. Er wollte schreien, doch er konnte nicht.
„Sieben Dunkelheiten!“ donnerte Sir Maltius' Stimme über das Zugwindlager, welches nun gänzlich von der Finsternis verschlungen wurde. Die Sätzlinge wuchsen weiter und weiter und der Boden unter ihnen brach auf, stürzte zusammen und riss mit sich, was sich auf ihm befand.
Er stürzte in die Finsternis, sich vor Schmerzen windend und im Gefühl, als würden fremde Finger durch seinen Kopf bohren und seine Gedanken von ihm reißen wollen. Mit der letzten verbliebenen Kraft öffnete er den Mund und schrie.
Mit einem lauten Schrei wachte er auf. Die Hände zu Fäusten geballt so dass die Fingernägel Abdrücke in den Handflächen hinterlassen hatten. Das Hemd war nassgeschwitzt und ihm war kalt. Eisig kalt. Mit zitternden Beinen kroch er aus dem Bett und ging zur Waschschüssel, tauchte erst die Hände hinein, dann kurz das Gesicht. Dann hockte er sich auf den Rand des Bettes und schaute auf seine Hände. Sein Blick verharrte auf der linken Handfläche, über die sich ein frischer Schnitt zog, keinen Tag alt. Unfähig, länger zu schlafen, zog er sich an und ging leise die Treppen hinab und zum Gebetssaal, wo er bis zum Morgengrauen blieb.