Von Rovis Zwockelmock vom Institut für Pfuschkunde
Der alte Gnom betritt die Taverne und geht schnurstracks auf einen Stuhl zu, sein Kater trottet ihm lautlos nach. Die Schuhe des Gnoms klackern ein wenig auf dem Holzfußboden und als er sich setzt gibt der Stuhl ein knarzendes Stöhnen von sich.
Kurze Zeit später bringt der Kellner ihm ein Glas Milch und ein Stück frischen Kirschkuchen. Rovis ist gern in dieser Taverne, weil er weiß, dass die Frau des Wirts täglich neuen Kuchen backt und daher immer ein leichter Kirschgeruch in der Luft liegt. Als er zu seiner Gabel greift, um den Kuchen zu essen, fällt ihm ein Zettel auf, der unter dem Glas mit der kleinen Kerze auf dem Tisch liegt. Er ist handschriftlich beschrieben. Rovis zieht ihn unter dem Kerzenglas hervor und schaut sich das Blatt an, während er genüsslich seinen Kuchen isst.
An einigen Stellen hat der Verfasser einzelne Worte durchgestrichen und durch neue ersetzt, die etwas krickelig darüber geschrieben wurden. Ein Kringel auf dem Papier deutet auf eine Tasse Tee hin, die hier irgendwann einmal getrunken wurde und die Schrift verrät, dass es jemand mit einer Feder und Tinte geschrieben haben muss. Rovis beginnt zu lesen...
Es gab einmal eine Zeit,
's ist noch garnicht so lang her,
da wurden die Gnome unterdrückt,
veralbert, ausgelacht und noch viel mehr,
ein jeder Mensch hielt sie für verrückt,
ernst nahm sie niemand, das schmerzte sehr,
doch sie konnten nirgendwo hin mehr zurück,
ein ganzes Volk lebte im Leid
Wie Kinder wurden sie behandelt,
von oben herab und zur Seite gedrängt,
ihre Kultur wurde abwertend 'albern' genannt,
in enge Schubladen hat man sie gezwängt,
sie waren die kleinsten, das war bekannt,
und doch lebten sie extrem eingeengt,
am liebsten hätte man sie verbannt,
doch sie war'n Gefangene dieser fremden Welt.
Dann, urplötzlich, kamen drei Gnome daher
sie haben aus sich selbst Regentinnen gemacht,
so wurde endlich 'Gnomwind' gebor'n,
völlig chaotisch und über Nacht,
mit der Zeit kam es allen zu Ohren,
die Menschen und Elfen haben lauthals gelacht,
die Gnome dagegen haben sich geschworen,
für ihr Recht zu kämpfen und sei's noch so schwer.
Liraxxa, Thalsia und Dilia waren
die Königinnen in den gnomwind'schen Herzen,
sie symbolisierten wie sie erkannten,
all das, was die Gnome täglich verschmerzten,
Heimweh und Unterdrückung, Tritte von Passanten,
und Genialität ohne zu scherzen,
lustig und niedlich und missverstanden,
und immernoch hielt man die Gnome zum Narren.
Gnomwind gab Hoffnung und das Gefühl
von Zugehörigkeit, Heimat und Gemeinschaft,
die Gnome erkämpften sich Stück für Stück
mehr Gleichberechtigung und Lebenskraft,
blickten dabei niemals zurück,
sondern freuten sich, was sie schon geschafft,
kämpften immer weiter für ihr Glück,
und stürzten sich dafür in jedes Gewühl.
Irgendwann wurd' es den Menschen zu bunt,
sie hatten einfach die Idee nicht begriffen,
verboten Gnomwind kurzerhand,
aber die Gnome haben nicht gekniffen,
demonstrierten lauthals im Menschenland,
doch nie gab es handfeste Übergriffe,
nach langen Verhandlungen haben die Menschen erkannt,
Gnomwind hat doch einen tieferen Grund.
Sie tollerierten sich und lebten zusammen,
die Regentinnen propagierten den Frieden,
und fanden mehr und mehr Aktzeptanz,
doch mysteriös starb nun eine von ihnen,
die zweite verlor' daraufhin den Verstand,
aber Gnomwind ist mehr als drei Regentinnen,
Gnomwind sind wir, das liegt auf der Hand,
wieder und wieder, vernehmt unsere Stimmen:
Gnomwind sind wir, das liegt auf der Hand.
Gnomwind sind wir, und wir kämpfen dafür.
Gnomwind sind wir!
Nachdenklich legt der alte Gnom den Zettel auf den Tisch. Sein Kater reibt sich schnurrend an seinem Bein. "Na, Ogg, magst' auf meinen Schoß?" Mit einem Satz springt der Kater auf Rovis' Schoß, dreht sich zweimal im Kreis und lässt sich dann auf die gemütliche, warme Hose seines Herrchens fallen. Rovis krault seinen Kater und denkt über das Gedicht nach. "Mögen Sie noch etwas, Herr Zwockelmock?" fragt der Gastwirt unvermittelt. Der Gnom schüttelt lächelnd den Kopf und sagt "Nein, danke. Ich habe alles, was ich brauche."