Gedanken eines ehemaligen Knappen - oder: aus dem Leben des Sir Veyt van Roth[]
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Teil 19[]
Diese Kopfnuss war anders gewesen als jede bisherige. Sie war schwach gewesen. Kaum mehr als ein leichter Klaps. Und dennoch hatte sie in dem Moment geschmerzt sie als hätte der Ritter einen Hammer genommen sie ihm zu verpassen.
Veyt hockte am Lagerfeuer vor dem Zelt, der Blick nachdenklich aufs Feuer gerichtet. Neben ihm, den Kopf an seine Schulter gelehnt, Litonja, deren ruhigen Atemzüge verrieten, dass sie nicht nur die Nähe genoss.
Noch immer spürte Veyt den Punkt, an dem Biensis‘ Hand ihn getroffen hatte. Inzwischen war es nur noch ein dumpfes Pochen, wie eine Wunde, die schon seit Jahren verschwunden war und nur noch im Gedächtnis bestand. Noch immer sah er das Gesicht von Sir Biensis vor sich. Leichenblass. Blutspritzer auf der bleichen Haut. Blutiger Schaum im Mund. Die Rüstung verbeult und rot gesprenkelt. Eine gebrochene Gestalt, dem Tode näher als dem Leben. In seinen letzten Atemzügen hatte er Veyt zu sich gerufen und der hatte gehorsam neben ihm gekniet, als er einen Treffer am Kopf spürte.
„Ein Ritter spuckt niemals vor einem anderen Ritter aus, egal wie groß sein Hass auf ihn ist.“
Sir Biensis‘ letzte Worte dröhnten dumpf in seinen Ohren. Der Ritter hatte danach die Augen geschlossen und auf den Gnadenstoß durch Sir Arken gewartet. Das Duell war beendet. Auf Leben und Tod hatten sie gekämpft und Licht hatte den Sieger bestimmt. Doch es kam keine Freude oder Triumphgefühl auf. Zu bitter schmeckte der Tod eines Ordensbruders, zu finster war der Sieg des Ordensmeisters gegen einen der seinen.
Veyt schloss die Augen und ließ das Feuer warm in sein Gesicht scheinen. Auf eine gewisse verquere Weise hatte Sir Biensis immer seinen Prinzipien treu gefolgt. Es war nicht selten gewesen, dass man mit ihm aneinander geraten war und kaum einer hatte so bereitwillig Lektionen an den damaligen Knappen Veyt verteilt wie er.
Ja, er war wütend auf Sir Biensis gewesen. Mehr noch, er hatte ihn gehasst, aus dem tiefsten seiner Seele verabscheut. Keine Stunde war es her gewesen dass der Großinquisitor beigesetzt worden war, als Sir Biensis regelrecht im Plauderton Sir Arken auf Leben und Tod forderte. Wenige Tage vor dessen Hochzeit. Wenige Wochen nachdem Sir Biensis selbst in die Reihen der Ordensritter aufgenommen worden war und nun dessen Meister forderte. Diese ohnmächtige Wut, die einen nach dem anderen der Anwesenden ergriffen hatte. Das Gefühl des blanken Verrats an den Statuten des Ordens. Niemals solle ein Bruder die Klinge gegen einen Bruder erheben. Und nun? Und gerade dies trieb Sir Arken unter anderem dazu, die Forderung zu akzeptieren.
Es war ein grausamer Kampf. Beide hatten sich nichts geschenkt und es würde eine Weile dauern, bis die Wunden verheilt sein würden, die sichtbaren wie die seelischen. Ordensblut war geflossen. Und noch mehr würde bald fließen.
Unbehagen kam in ihm auf und er legte den Arm um Litonja, als wolle er sie festhalten. Er war mit dem 2. Kader ausgerückt nachdem im Norden die ersten Felder gebrannt hatten. Licht wusste, er wollte vorwärts preschen und ihnen ihre verdammten Fackeln in den Rachen drücken, doch die Befehle des Ordensmeisters waren klar, so sehr sie auch schmerzten. Kein Angriff gegen die Krone, außer sie griff die Vasallen an. Es hieß abzuwarten, bis sie einen Fehler machten. Bis dahin blieb kaum mehr als zusehen.
Stirnrunzelnd blickte er wieder ins Feuer. Eid stand gegen Eid. Freund gegen Freund. Bruder gegen Schwester. Cousin gegen Cousin. Hatte er nicht geschworen, stets die Schwachen zu schützen? Jene mit Schild und Schwert zu verteidigen, die sich nicht verteidigen können?
Hatte er nicht geschworen, stets dem König die Treue zu halten? Ihm sein Schwert und sein Schild zu sein? Stets den Befehlen seiner Majestät zu gehorchen und stets für das Beste für König und Reich einstehen?
Er hatte es geschworen. So wie er geschworen hatte als Teil vom Orden des Erbauers und damals als Teil des Lehnsherrn stets Sorge für das ihm überlassene Lehn zu tragen. Es war an ihm, für Ruhe und Ordnung zu sorgen und jede Bedrohung von seinem Grund und Boden abzuwenden.
Die Zwickmühle war offensichtlich. Würde der Orden seinen Pflichten als Lehnsherr nachkommen würde er gegen die Krone handeln. Würde Veyt seinem Eid als Ritter nachkommen, würde er gegen die Krone handeln. Würde er dem Schwur an König und Reich nachkommen...würde er gegen seinen Eid als Ritter und gegen den Orden als Lehnsherrn handeln.
Die Situation war mehr als nur brenzlig. Im Norden stand der Onkel an der Seite der Kriegstreiber und Plünderer, gebunden an sein Wort und Schwur. Im Süden stand sein Cousin. Andere Farbe, gleiche Situation.
Und auch wenn die Order war eher zurückzuziehen statt auf Konflikt zu gehen, er konnte nicht die einfachen Leute sich selbst überlassen, oder er würde sich nie wieder in einem Spiegel ansehen können. Würde sein Vater es verstehen? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Die Zeit wird es zeigen.