Dieser Artikel wurde am 04. Januar 2016 als Spotlight der Woche vorgestellt. |
Gedanken eines Knappen - oder: aus dem Leben des Veyt Matthes[]
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Teil 10[]
Es war eine lauschige Herbstnacht in Westfall. Die Sterne strahlten so hell wie schon lange nicht mehr. Der Mond schien voll und rund über die Hügel. Die Wachen prügelten sich mit den Gnollen. Der Wind flüsterte im goldenen Laub der Bäume und wehte das verzweifelte MUUUUH! eines armes Rindes herüber, das gerade seine Weide aus der Vogelperspektive betrachtete. Schon komisch, an was mach sich so gewöhnen konnte…
Veyt hockte auf einem Hügel, mit dem Rücken gegen einen der letzten Bäume Westfalls gelehnt, der noch nicht fröhlich seine Kreise in einem Zyklon drehte. Aber so wie die Stürme Bäume, Felsen und Kühe durch die Gegend wirbelte, wirbelten die Gedanken in seinem Kopf. Die Ereignisse der letzten Tage hatten sich regelrecht überschlagen. Wann genau war sein Leben so aus der Bahn geraten?
Es musste eine der über 50 Kopfnüsse in seinem Knappendasein gewesen sein. Vermutlich hatte er ein Trauma oder sowas davon. Nicht dass er nicht an jeder einzelnen selbst Schuld hatte und mindestens die Hälfte sich hätte ersparen können, aber das wäre auch zu einfach gewesen. Und zu langweilig. Halb in Gedanken versunken zupfte er einen Grashalm und kaute darauf herum, während er seine Lektionen Revue passieren ließ.
Lektion Nummer 1: Egal, was für ein Geistesblitz dich durchfährt, halte deine Klappe, Knappe! Auch wenn dir eine Kopfnuss vielleicht nicht soviel ausmacht, aber der Strafdienst im Stall tut es gewiss, ganz zu schweigen vom Formaldienst, auch Strafexerzieren genannt. (bei anderen Vereinigungen war es vermutich aber eher ein Exorzieren.)
Er grinste kurz während während er gleichzeitig Augenzeuge wurde, dass Schweine sehr wohl fliegen können. Wäre der Wirbelsturm, der gerade über einen der Bauernhöfe jagte, noch etwas stärker gäbe es jetzt vermutlich ein Schwein im Weltall. Die arme Sau.
Veyt rieb sich mit einer bandagierten linken Hand den Hinterkopf, wo er noch deutlich die Beule der letzten Disziplinarmaßnahmen spüren konnte. Ja, eine arme Sau war er auch ab und an gewesen. Er schaute auf den Verband und seufzte kurz, als er sich daran machte, diesen zu entfernen.
Lektion Nummer 2: Reiche Lady Pyrota NIEMALS eine helfende Hand wenn sie Schmerzen hat, egal welche Art von Schmerz. Und wenn du Depp es in einem Anfall von Ritterlichkeit doch tust weil du deine Knochen nicht schätzt, dann zeig wenigstens genug Hirn und trage verdammt nochmal Plattenhandschuhe. Ansonsten....mecker nicht, wenn du den Schaden hast. Selbst Schuld.
Mit einem Grummeln bewegte er die Finger vorsichtig. Die Brüche waren geheilt. Die Frau hatte aber auch eine Kraft....und er kannte mindestens 2 Ritter, die ein Lied davon singen konnten, was Lady Pyrota alles mit Händen in Panzerhandschuhen noch anstellen konnte. Er verzog leicht das Gesicht beim Anblick seines linken Ringfingers, dem seit geraumer Zeit die Kuppe fehlte. Selbst Schuld, Matthes, denn
Lektion Nummer 3: Trink kein verdammtes Freibier in einer verdammten Goblintaverne, wenn deine verdammte Nemesis am verdammten Tisch sitzt. Wie naiv konnte man sein? Naja. In Veyts Fall.....ziemlich. Genaugenommen könnte „naiv“ sein zweiter Vorname sein. Er hätte auf sein Bauchgefühl hören sollen, aber nein, er wusste es ja besser. Oder wie sein alter Freund aus Seenhain zu sagen gepflegt hatte: „Geh mir weg mit Intuition, das ist was für Mädchen. Ich hab ein Schwert für alle Fälle!“ Er lachte bitter in sich hinein. Tja, mein Freund. Ich bin hier, du im Licht...
Sein Blick schweifte über die Hügel, hinüber zur Deppendel.....zum Drachenpups! Ein gigantisches Loch mitten in Westfall. Absolut zufällig am Tag nach ihrem kleinen Ausflug zu den Defiasverstecken aufgetaucht, die der Vas-Kathul so gründlich verschlossen hatte auf seine ganz spezielle Art und Weise. Kein Zweifel, der Vas-Kathul liebte den Geruch von Saronitsprengpulver, unabhängig davon welche Tageszeit gerade war. Daraus ergab sich auch
Lektion Nummer 4: Stelle dich niemals zwischen den Vas-Kathul und seine Bomben, auch nicht zwischen den Vas-Kathul und seinen Widder und ganz besonders nicht zwischen den Vas-Kathul und das arme Schwein von Knappe oder Rekrut, das gerade von ihm eine Kopfnuss bekommen sollte. A propos Schwein....
„Quiiiiiiiieeeeek!“
Da flog das arme Vieh in die nächste Runde um die Späherkuppe. Aber davon mal abgesehen dass man jetzt mehr den Verkehr im Westfaller Luftraum beachten musste, wenn man die Sachlage nüchtern betrachtete (und das tat zumindest Veyt seit der Goblintaverne ständig) gab es doch durchaus eine ganze Menge Verbesserungen, seid da ein gigantischer Salamander ein wenig die Landschaft gepflügt hatte. Veyt hatte den Drachen nie gesehen und war auch nicht wirklich böse drum, oder so. Aber er konnte sich nicht helfen, so ganz zerstörerisch wie die Echse angeblich sein sollte hatte sie sich nicht gegeben.
Da war zum Beispiel die wirklich umfangreiche Umgestaltung in Sturmwind.
Gut, die alte Kaserne hatte ziemlich gelitten, genau wie die Türme des Stadttors, die noch immer rot vor sich hinglühten. Aber dafür gab es nun eine wunderschöne Parkanlage. Und echte Sturmwinder Greifen nisten auch auf glühenden Steintürmen. Vermutlich mochten sie die integrierte Bürzelheizung, wer weiß das schon genau. Dann gab es da noch sein Heimatdörfchen Seenhain, dass schlagartig hochmotiviert war und die Brücke in wenigen Tagen fertig baute, was in den letzten 4 Jahren nicht einen Stein weit geklappt hatte. In Kalimdor war es angeblich sogar so weit, dass ehemailge Wüsten zu grünen Zaubergärten geworden waren. Wowar das schlimm? Und eine Jungfrau hatte der Drache auch nicht entführt, wie man es sonst so von bösen Drachen hört.
Dennoch hatten sich kurzfristig die hellsten und wichtigsten Köpfe Sturmwinds zusammengefunden für eine Krisensitzung. Das Ergebnis war so einfach wie brilliant. Man wartete einfach bis das Vieh zurückkam, würde es dann angreifen, oder auch nicht, und im Falle des Angriffs töten. Oder auch nicht. Denn immerhin war es erwiesen dass es vermutlich nur fast unbesiegbar war und maximal nur über halb phenomänale, fast kosmische Kräfte verfügte. Hoffentlich. Auf die Idee, dass dem Vieh einfach nur langweilig war und es im wahrsten Sinne des Wortes einen Tapetenwechsel brauchte, kam keiner.
Dass der groß angekündigte Weltuntergang ausblieb war auch zu erwarten gewesen. Das war wie mit den saisonalen Rabattaktionen der Händler. Nur noch heute! Alles muss raus! Morgen wird’s keinen Fisch mehr geben, also kauft jetzt! Nie wieder wird Gelbflossentüpfelbarsch so frisch sein wie heute! Ab und an fiel sogar noch jemand darauf herein. Nicht dass allein ein Blick ins Hafenbecken gereicht hätte, um sich von der Unglauwürdigkeit der Worte zu überzeugen.
Wäre auch zu einfach, beziehungsweise die Leute waren einfach zu stur in ihrer Meinung. So stur wie der durchschnittliche Bewohner Sturmwinds eben war und nein, das waren nicht Zwerge. Auch wenn der Verdacht gerade im Vergleich mit Sturheit nahela...
Veyt hielt kurz inne und schaute sich etwas nervös um. Kein Vas-Kathul weit und breit. Gut.
Ergänzung zu Regel Nummer 4: Niemals respektlos gegenüber Zwergen reden, denken oder atmen. Nicht mal im Scherz.
Wenn er jetzt schleunigst eine bestimmte Lektion zu verinnerlichen hatte, dann das angemessene Zollen von Respekt und standesgemäßem Benimm. Es war schon schlimm genug dass er zu einem Tanzabend in Vollplatte aufmarschiert war, quasi eine direkte Kriegserklärung an die Damen, wie Sir Arken so schön gesagt hatte. Wo hattest du nur deinen Kopf, Veyt Matthes? Zwischen den Schultern offenbar nicht. Einem Knappen mag man so einen Fauxpas vielleicht nachsehen, aber dir?
Sein Blick schweifte zum Turm der Späherkuppe, der irgendwie etwas dunkler wirkte als sonst. Er könnte hinüber gehen...und feststellen, dass kein Sir Arken da sein würde, der mit Papier und Tinte um sich warf in der täglichen Schlacht mit der Bürokratie. Keine drohende Kernschmelze über die Frechheiten seines Knappen, keine Schnappatmung, kein zuckendes Augenlid und auch kein lieblich melodiös verklingendes „Moppelkotze“. Sir Arken hatte sich zurückgezogen und alle Ämter als Ordensmeister abgelegt. Er brauche mehr Zeit für die Familie, so seine Begründung. In Gedanken zählte Veyt bereits die Tage, bis Sir Arken mit frisch polierter Rüstung in all seiner lichterfüllten Pracht wieder in der Tür stehen würde. Er weigerte sich einfach, die Entscheidung des Ritters als feststehend zu sehen. Für ihn war seine Rückkehr ins Amt keine Frage des Ob, sondern des Wann. Und natürlich des Kannst-du-weit-genug-im-Kopf-zählen-oder-willst-du-es-dir-nicht-doch-besser-aufschreiben-könnte-schließlich-länger-dauern-stur-wie-der-Mann-ist.
Veyt schloss die Augen und lauschte dem Abendwind. Vermutlich würde ihn die Bevölkerung von halb Westfall allein für diesen Gedankengang lynchen, aber er vermisste das warme Knistern der Feuerelementare, zumindest ein klitzekleines bisschen. Für den Bruchteil einer Sekunde zwischen ihrem Auftauschen und dem panischen Geschrei der Flüchtlinge und Wachen hatte man hin und wieder mit genug gutem Willen und entsprechend viel Schlafentzug an ein romantisches Kaminfeuer denken können. Vielleicht lag es auch einfach nur an der trockenen Wärme, er war ja sonst eher der Regentyp.
So friedlich alles auch gerade wirkte, wirklich Ruhe verspürte er nicht. Er dachte über Magister Erzfeuers Worte nach, seine düstere Prophezeihung aus der Vergangenheit, die eigentlich die Zukunft war. Litonja wird sterben. Oder besser wird gestorben sein. Veyt verengte leicht die Augen und schnaubte. Moppelkotze! Es musste einen Weg geben,das zu verhindern. Und er würde ihnen finden, beim Licht! Da war eine Jungfrau in Nöten, die es zu retten galt! Naja. Wohl eher eine junge Frau die im wahrsten Sinne des Wortes von ihrer Vergangenheit eingeholt wurde. Vielleicht war sie aber auch die Jungfrau vom Drachen, sozusagen symbolisch entführt, und er, also der Ritter, musste dem Drachen... aber er konnte ja schlecht Magister Erzfeuer als Bronzenen... nein, nein, das ging nicht.
Veyt sprang auf und klopfte sich den Staub von der Rüstung. Zeit konnte ihn mal kreuzweise. Wie ernst konnte man Angehörige eines Drachenschwarms nehmen, die rein aus Spaß extra absichtlich so flogen, dass der Reiter von Blättern und Ästen über fette Spinnweben bis hin zu verdatterten Kleinvögeln so ziemlich alles ins Gesicht bekam? Er hatte Litonja so nachfühlen können als sie meinte „Nie wieder fliege ich auf einem Bronzefarbenen Drachen!“ Leider bewies die Echse eine verquere Art von Humor und zeigte sich daraufhin in einem sanften Blauschimmer. Was soll man dazu noch sagen...
Ein Rekrut kam zu Veyt herüber, nahm Haltung an und salutierte.
„Sethem, der Greif ist bereit.“
Veyt nickte. Es war soweit, er würde die Späherkuppe verlassen. Für ein paar Tage nur, ein paar private Dinge erledigen, die nicht länger aufgeschoben wurden. Er ging zu dem schneeweißen Vogel hinüber der ungeduldig mit dem Vorderbein scharrte, tätschelte ihm beruhigend den Schnabel.
Noch einmal schaute er über die Festungsanlage, zu der die Späherkuppe inzwischen geworden war. Dies war sein Zuhause und er würde zurück kommen. Über das Wie konnte er unterwegs nachdenken. Aber es würden nicht die Gedanken eines Knappen sein, denn diese endeten jetzt und hier, in Westfall.
Sir Veyt Matthes stieg in den Sattel und gab dem Greifen die Sporen.