Es hatte ihr richtig gut getan, ihre Wut rauszulassen. Und so gelang es ihr auch sich lächelnd zurück an den Tisch zu setzen. Er war bereits abgeräumt worden. Nur noch Wein und etwas Obst deckten die Tafel.
"Also dann, ich freue mich sehr auf die Reise nach Azshara." Cecilia musste nachtrinken. Sie schob einen Teil des Haares über die rechte Schulter und spürte Lhoreans Grinsen auf sich. "Fantastisch", entgegnete Samira lächelnd. Sie hoben die Weinkelche und jeder an diesem Tisch feierte sich selbst auf seine Weise.
Am Nachmittag trafen sich Lady Thorn und die Silberschwur erneut, um die Verhandlungen zu beginnen. Es hatte vier Stunden gedauert und als Cecilia als Letzte den Konferenzsaal verließ, war sie gerädert wie lange nicht mehr. Das Gespräch war zugunsten von Süderstade ausgefallen. Es fielen nicht viele Forderungen von Seiten der Quel'dorei. Lediglich die Flut aus Formularen füllte die vielen Stunden aus. Die Investitionen hatten sich gelohnt. Die Kooperation stand.
Auf ihrem Zimmer fand Thorn erneut Kleider vor. Sie mussten für die nächsten Tage bestimmt sein. Cecilia lüftete das Zimmer und befand, dass sie ihre Zeit bis zum Abendessen draußen verbringen sollte. Vielleicht würde sie zum Steg gehen, sich das Boot ausleihen und etwas rudern.
Als sie nach draußen ging, schlug sie zunächst den Weg zum Stall ein und versorgte ihr Pferd mit frischem Heu. Es wäre ihr eigentlich egal gewesen, ob sie sich dabei beschmutzte, doch Cecilia konnte sich nicht ausreden, dass ihr die Kleider nicht gehörten, obwohl sie es taten.
Als sie den Marktplatz überquerte, dämmerte es bereits leicht. Die Luft kühlte sich endlich etwas ab und machte Cecilia leichtfüßig. Sie hörte schon die Wasservögel nach ihr rufen. Als sie am Steg ankam, drehte sie kehrt.
Lhorean hockte am Steg und warf Reste des Brotes vom Frühstück ins Wasser. Die Wasservögel riefen nicht nach ihr, sondern nach einem leicht verdaulichen Abendbrot. Tz, ja sicher, in welcher Seifenoper spielen wir? Er kann nicht so... perfekt sein. Sie hatte noch nie einen Mann Vögel füttern sehen. Lhoreans Ohren drehten sich leicht, wendete anschließend sein Oberkörper in ihre Richtung. "Ah. Ceci. Komm ruhig her, ich beiße nicht... zumindestens vor Mitternacht." "Ich heiße Cecilia.", gab sie bissig zurück, ohne auf seinen Witz einzugehen und ließ sich die Vögel betrachtend,neben Lhorean nieder. Der Quel'dorei hielt ihr etwas Brot hin. "Keinen Hunger.", murmelte Thorn. Er sah Cecilia erst ungläubig an und lachte dann schallend. "Du hast einen großartigen Humor, Süße." Ja sicher...Süßer, zischte es zynisch in ihrem Kopf.
"Du wirst uns also morgen in die Burg Sturmgarde begleiten, ja?", Lhorean warf die letzten Brotkrumen in das Wasser und betrachtete, wie die Vögel sich darum zankten.
"Wie bitte?"
"Ewan Smith... so war doch sein Name? Er sagte, du hättest das Treffen in Sturmgarde für morgen organisiert. Er schien ganz heiß darauf, mitzukommen. Ihr habt was miteinander, huh?" Der Quel'Dorei grinste breit, was sein beinahe Gesicht leuchten ließ.
Cecilias Zähne knirschten: "Hat er das? Nun... Ich muss Euch enttäuschen. Ich habe viel zu erledigen in Süderstade."
"Über diese Förmlichkeit sind wir doch längst hinaus, Ceci...oder doch lieber Cili? Perfekt. Ich hatte nämlich nicht vor mir einschläfernde Vorträge von den Lords und Ladys anzutun. Also unternehmen wir beide morgen etwas, ja?"
"Ich sagte, ich habe zu tun." Cecilia wollte gerade aufstehen, als er nach ihrem Handgelenk griff und sie zu sich hinunter zog. Seine türkisen Augen funkelten. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie seinen Ehrgeiz geweckt. "Ich werde kein Nein akzeptieren."
Cecilia versuchte sich vergeblich loszureißen. Ihre Stimme klang stechend, jedoch provokant ruhig: "Wenn du denkst, dass eure Masche mich sonderlich beeindruckt, irrst du dich. Vielleicht klappt das bei anderen Frauen, aber weder du noch dein Bruder werden mich unter Druck setzen und wenn du mich nicht sofort los lässt, werde ich nach der Stadtwache rufen. Lady Silberschwur wäre sicherlich nicht amüsiert über diesen Anblick." Die Stadtwache bestand übrigens aus einer Truppe aus zwei emanzipierten, bulligen Frauen mit Pottschnitt und fünf beinahe ganztägig betrunkenen Raufbolden. Nur durch ihre gepflegte Rüstung konnten sie den Schein aufrecht erhalten, die mehr oder minder betuchte Stadt auch durchaus beschützen zu können.
Lhorean zog sie noch näher an sich heran, sodass sich ihre Augen auf gleicher Höhe trafen. Sie roch seinen süßen Atem auf ihrem Gesicht, ihr wurde ganz schwummerig. "Cecilia... ", er hielt inne, dann lachte er und ließ sie los. Einen kurzen Moment blieb sie benommen sitzen, sprang dann aber plötzlich auf und verabschiedete sich mit einem höflichen "Arschloch!", ohne sich nochmal zu ihm umzudrehen. (...)