Es war eines dieser Tage, an denen man viel zu früh aufwacht, weil die Sonne einem mal wieder keinen Schlaf gönnt. Das war nicht der einzige Grund, warum Cecilia übellaunig durch das Zimmer stapfte. Greta war gekommen und hatte ihr ausgerichtet, dass sie die Verhandlungen um ein Bündnis führen sollte. Der Magistrat hätte wichtige Termine gehabt. Sie hatte solchen Verhandlungen bereits unzählige male beigewohnt, so dass sie den Ablauf im Schlaf kannte. Aber noch nie war sie ohne den Magistrat dabei, Geschweige denn musste sie selbst führen.
Dazu brachte Greta ihr eine Robe, die gar nicht dem Geschmack von Cecilia entsprach. Sie war königlich blau und viel zu freizügig. "Greta, der Magistrat kann nicht die ganzen Abgaben für Möbel und Kleider aus dem Fenster rauswerfen.", sagte sie noch. Und schon steckte sie in dem teuren, durch Steuern finanzierten Traum aus kostbaren Stoffen. Das Korsett schnürte ihr die Luft ab, doch sie hat sich von Greta dazu hinreißen lassen, es anzulegen. Der Stoff fiel elegant ihren Körper hinab und legte in der Bewegung manchmal den Ansatz eines Beines frei. Thorn zupfte unentwegt unzufrieden an ihrem Ausschnitt.
Cecilia fühlte sich wie ein Austellungsmodell auf der Kürbisernte. Als ob es nicht schlimm genug wäre, weiterhin mit den Silberschwur auszuharren und diese in ihren Augen, grässliche Robe zu tragen, musste sie nun auch noch mit den Silberschwur frühstücken. Und als ob es nicht noch schlimmer kommen könnte, konnte sie ihr Haar nicht zusammenbinden. Fynn muss das Haarband mit sich genommen haben, dachte sie.
Sie war rasend, denn sie hatte nie vorgehabt Lhorean diesen Gefallen zu tun. Und er würde doch annehmen, dass sie es für ihn tat. Cecilia trödelte absichtlich herum, was Greta Achten laufen ließ wie ein aufgescheuchtes Huhn, um zu spät zum Frühstück zu erscheinen.
Als Cecilia die Treppe hinabging, umschmeichelte sie ein herrlicher Duft von Eiern, Speck, Gebäck und anderen Köstlichkeiten. Der Tisch war gefüllt wie auf einer Hochzeit. Cecilia war nie ein guter Esser. Selbst als Kind kam es vor, dass die zwei Tage lang das Essen verweigerte. Ihr fiel ein, dass sie auch am gestrigen Tag lediglich eine Scheibe trockenes Brot zum Frühstück aß. Sie hätte nun am liebsten Kehrt gemacht und sich in ihrem Zimmer eingeschlossen.
Doch Cecilia tröstete sich mit dem Gedanken, dass wenn sie sich beeilten, sie die Sache schnell hinter sich gebracht hätte. Sie band sich noch schnell aus Protest die Haare zu einem fürchterlich altmodischen Dutt und knotete sie mit ihren eigenen Haaren zusammen, bevor sie den Quel'dorei entgegen trat. Den Morgengruß murmelnd, setzte sie sich an Tisch zu den bereits speisenden Hochelfen und nickte in die Runde, ohne jemanden speziell anzusehen. Thorn spürte lediglich die gewaltige Präsenz von Hale neben sich. Er reichte ihr ein Croissant, dass sie aus Anstand annahm und kaute auf dem ersten Bissen eine gefühlte halbe Stunde herum. Hale machte noch immer Witze über die ach so schwächlichen Banditen im Silberwald. Er war der größte Angeber, dem sie je begegnet war. Doch seine Gabe war es anscheinend, seine Poserei in viel Watte und Humor einzuwickeln, so dass sie einem gar nicht mehr so unagenehm aufstieß, beinahe erträglich war. Lhorean stieg ebenfalls ein und so wurde der Speisesaal von klirrenden Gläsern und lauten Scherzen erfüllt. Nur Fynn saß stumm auf seinem Stuhl und hielt seinen Blick starr auf Cecilia gerichtet. Weder Zuneigung nach Hass war in seinen Gesichtszügen zu erkennen. Alles was er tat, war starren. Thorn ertränkte ihren Ärger und ihre Unsicherheit in darnassischem Portwein. Normalerweise vermied sie es, schon so früh Alkohol zu trinken, doch sie hatte die Betäubung, die vom roten Traubensaft ausging, bitter nötig. Ihr Korsett ließ gerade genügend Freiraum, dass sie die Luft durch ihre Lunge pressen konnte.
"Also..." begann Samira, die ihre Ellen auf den Tisch stützte und die Hände zusammengefaltet unter ihr Kinn setzte, als wäre sie die Hausherrin. Sie musste es gewohnt sein zu kommandieren, dachte Cecilia. Sie sah erneut großartig aus. Ihre Lippen waren blutrot geschminkt, was sie zwar noch blasser, jedoch auch zarter wirken ließ. In ihr seidiges Haar waren feierlich rote Schnüre eingeflochten. Ihre Robe war ein samtenes Bordeaux, und umschmeichelte ihre grazile Figur und die elfenbeinfarbene Haut. "Wir würden Eure Kultur gerne noch etwas besser kennenlernen. Ihr werdet verstehen, dass es hierbei um Geld geht. Viel Geld. Nicht wahr?" Wie? Sie wollen noch länger bleiben?, geisterte es in Cecilias Kopf. Cecilia begann heiser:"Gern, ja. Ich werde Termine arrangieren." Ungläubig schenkte sie sich Wein nach und sah immer wieder zu Fynn, dann Lhorean auf. "Fantastisch. Dann bestehen wir darauf, dass wir Euch ebenfalls nach Azshara einladen dürfen." Großartig. Thorn überlegte sich Ausreden, doch es wollte ihr keine logische Idee einfallen. "Ich danke Euch, aber..." "Oh sie wird Euch gerne begleiten..", schallte es hinter Cecilia. Ewan Smith stand in der Tür und lehnte sich selbstgefällig an den Türrahmen. Okay, es gibt doch arrogantere Typen, als Hale.. Thorn hasste Ewan abgrundtief. Beide hatten sie sich gleichzeitig um das Amt des Diplomaten beworben. Cecilia's Vater hatte den Magistrat nur sehr knapp von seiner Tochter überzeugen können. Die Referenzen Ewans und Thorns waren beinahe identisch, mit dem Unterschied, dass die Smith ein Haufen Speichellecker waren. Sie hatte ihn ja nicht nur für das Amt ausgestochen, sondern nach seinen verzweifelten Annäherungsversuchen abblitzen lassen. Seit dem nutzte er jede Möglichkeit sie Verlegenheit zu bringen. Bisher ließ es sie kalt, doch das hier ging zu weit. Und Cecilia war nicht zu Scherzen aufgelegt. Ganz und gar nicht.
"Entschuldigt mich bitte.", murmelte die Diplomatin und verließ den Tisch. Sie drängte Ewan nach draußen und schloss, noch ein verzweifeltes Lächeln gen Quel'dorei schickend, die Tür.
"Spinnst du?", fuhr Cecilia Smith an. "Sachte, sachte. Ich habe dir nur einen Gefallen getan." "Das hier geht dich nichts an, Ewan!" "Mich vielleicht nicht." Er lächelte so dreckig,dass sein gebräuntes Gesicht einer hässlichen Fratze glich. "Aber was glaubst du, was der Herr Magistrat dazu sagen würde, wenn er erfuhre, dass du das Angebot abgeschlagen hast, wichtige Kontakte zu den reichesten Adelshäusern Azeroth's zu schließen?" "Fahr zur Hölle, Smith!" Leider hatte er Recht. "Später. Hübsches Kleid übrigens. Hat der Magistrat bezahlt, ja? Aber die Frisur ist scheußlich. Komm ich mach dich nochmal zurecht." Das musste er grad sagen. Seine Haare waren ebenso haselnussbraun wie seine Augen. Er hatte den gleichen Haarschnitt, wie Hale, doch im Gegensatz zu dem Hochelfen, betonte er bei Ewan die hohe Stirn. Die Haarsträhnen fiel ihm schlapp über den Nacken. Und was meinte er verdammt noch mal mit er mache mich nochmal zurecht? Er bewegte seinen Arm zu schnell, als dass Cecilia hätte rechtzeigtig reagieren können. Seine Finger wühlten in ihrem Haar und lösten den Dutt. "Viel besser." Cecilias Wangen glühten. Sie wusste nicht, wie ihr geschah, als sich ihr Knie in Ewans Weichteilen wiederfand. Ewan keuchte, er liebte die Dramatik und sank auf die Knie. "Das wird ein Nachspiel haben, du dumme Gans!" "Richtig Ewan, für dich, wegen unsittlicher Berührung. Es wird heißen, du hättest die Diplomatin Süderstades begrapscht. Herzlichen Glückwunsch." Wütend wandte sie sich ab und trat wieder durch die Tür zu den Quel'dorei. (...)