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Qsicon Exzellent Dieser Artikel wurde am 26. September 2011 als Spotlight der Woche vorgestellt.
LanthielTwoface

Lanthiel Herbstnebel wurde von ihrer Mentorin, Kommandantin Ylvana Falkensturm, auf unbestimmte Zeit nach Herdweiler geschickt, um dort mehr praktische Erfahrung als Blutritter, sowohl im Kampf als auch in der Philosophie, zu erlangen. Doch die junge Adeptin brachte mehr Laster mit, als mangelnde Erfahrung.

Prolog[]

„Adeptin des Blutritterordens?“ Der Argentumpaladin musterte die angesprochene Blutelfe kurz, aber gründlich. Eine schwarz-rote Rüstung, ein ebenso schwarzer Wappenrock mit dem blutroten Wappensymbol Silbermonds. Helle Haut, schwarze Haare… nein, da war ein blonder Ansatz zu sehen. Und felgrüne Augen, die so typisch für alle Blutelfen waren, genauso wie es typisch war, dass darin immer ein arroganter Ausdruck lag. Aber in diesen Augen lag noch etwas mehr. Obwohl sie durchaus stark in seine eigenen blickten, zuckten die Pupillen der Blutelfe immer wieder zur Seite, suchten scheinbar nach etwas, ehe für einen winzigen Moment Enttäuschung zu sehen war und dann ein Entschluss, an den sie sich wohl erinnerte und der ihren Ausdruck wieder für eine längere Zeit stark werden ließ.

Das laute Grunzen einer Geißel-Monstrosität war aus nicht allzu großer Ferne zu hören. Zum Kennenlernen würde ein andermal Zeit sein müssen. Der Paladin nickte der kleinen Gestalt in dunkler Rüstung vor sich zu und zog sein Schwert, den Blick bereits auf die Gruppe der Angreifer gerichtet. „Dann zeigt mal, was Ihr könnt.“


Sucht[]

Lanthiel liess sich neben das Feuer sinken, um das sich die anderen Bewohner des Turmes geschart hatten und über dem bereits eine große Bärenflanke und mehrere Gemüsestücke gegrillt wurden. Die anderen schienen das für ein ganzes Festmahl zu halten, aber für die Blutelfe kam es eher einem Arme-Leute-Essen gleich. Mit unruhigem Blick sah sie sich in der Runde um.

Überwiegend Menschen, ein paar Zwerge und eine Untote. Allerdings gab es hier nicht einen Blutelfen. So nah an der Heimat hatte Lanthiel wenigstens zwei oder drei Artgenossen erwartet, und mit ihnen irgendeine Möglichkeit, an etwas ganz bestimmtes aus Quel’Thalas heranzukommen. Diese Hoffnung musste sie nun wohl endgültig begraben.

In dem kleinen, grünen Kristall, den sie sicherheitshalber (oder war es Paranoia?) immer bei sich trug, war kaum noch Energie vorhanden, und hier in den Pestländern, oder eher: unter Paladinen, gab es keine Möglichkeit, an eine andere Quelle ihrer geliebten Droge zu gelangen. Als bürgerliche Händlertochter ohne Beziehungen zur Kaste der Magister hatte Lanthiel die Energie früher in stetigen, aber geringen Mengen über die großen Verteilerkristalle in Silbermond bekommen, hatte aber nie selbst einen Felkristall in der Hand gehalten – bis ihre Fürstin, Shyntlara Abaeir, ihr kürzlich einen geschenkt hatte, nachdem sie ihr die Freuden des direkten Konsums großer Mengen gezeigt hatte.

Die pure Kraft hatte die junge, beeinflussbare Adeptin überwältigt. Da ihr Glaube an das Licht nie sonderlich tief gegangen war, war die Felenergie ein gefundenes Fressen, schließlich war sie doch so viel mächtiger als die Lichtmagie, die Lanthiel wirken konnte. Aber eben nur, wenn sie auch regelmäßig welche davon bekam. Die Magie des Sonnenbrunnens konnte die stetige, schwache Felenergieversorgung der Stadt natürlich ausgleichen, aber gegen den direkten Konsum aus einem Kristall kam sie nicht an. Nicht gegen dieses überwältigende Gefühl, dass einem die Welt Untertan war.

Und nun ging die Energie in dem Kristall zur Neige, obwohl Lanthiel sie sich peinlich genau rationiert hatte. Zugegebenermaßen war es schwer, sich an die Rationen zu halten, wenn man erst einmal mit dem Kanalisieren in den eigenen Körper begonnen hatte. Ihre Mentorin im Blutritterorden, Kommandantin Falkensturm, hatte natürlich nichts davon gewusst, als sie sie zum Kampfeinsatz in die Pestländer geschickt hatte, aber Lanthiel war sich recht sicher, dass es nichts an ihrer Entscheidung geändert hätte.

In Herdweiler war ihre zunehmende Nervosität auffallend geworden. Keiner der Paladine hatte etwas gesagt – aber aus ihren Blicken wusste Lanthiel einfach, dass sie es alle gewusst und sie dafür verurteilt hatten. Sie musste dort einfach heraus, sie konnte die anklagenden Blicke der anderen nicht ertragen, auch wenn sie sich manches Mal fragte, ob sie sich das nicht nur einbildete.

Schließlich hatte sie sich freiwillig gemeldet, als nach Verstärkung für den abgelegenen Pestwaldturm gesucht wurde, und eine Karawane mit Nahrungsmitteln und Gebrauchsgütern hierher begleitet. In ihrer dringlichen Lage hatte sie irgendwie gehofft, hier einen Blutelfen und einen Felkristall zu bekommen – oder irgendetwas, um die psychischen wie physischen Schmerzen zu lindern, die von dem ständigen Mangel ausgelöst wurden. Vergeblich.


Arroganz[]

Ein Teller mit Essen, der vor ihr Gesicht gehalten wurde, holte Lanthiel aus ihren Gedanken, und sie blickte in die freundlichen Augen einer Menschenfrau. Den Namen hatte die Elfe entweder noch nicht gehört, oder schon wieder vergessen. „Hunger?“ Und wie. Ihr Magen knurrte. Aber das würde die Blutelfe nicht zugeben. Mit ein wenig pikiertem Blick zu dem garantiert zähen Fleisch und dem halb verbrannten Gemüse nahm sie den Teller entgegen. „Ein wenig.“ Es kostete sie einiges an Mühe, das Essen nicht einfach herunterzuschlingen, aber als Elfe musste sie sich den anderen, die genau das taten, schließlich überlegen zeigen.

„Du kämpfst nicht schlecht.“ Versuchte die Menschenfrau da etwa gerade, eine Art Konversation aufzubauen? „Ich habe gute Lehrmeister gehabt.“ Die diplomatische Antwort einer braven Adeptin.

Schweigen. Alle widmeten sich ihrem Essen. Lanthiel blickte zwischen ihren Bissen gelegentlich durch die Runde und sah hier und da verstohlene Blicke auf ihre Rüstung. Ha. Der Blutritterorden war eine Eliteeinheit. Jeder Adept war besser als diese Argentumtypen und sie wussten es genau. Aber bitte, wenn sie Konversation wollten…

„Wie oft kommen solche Angriffe wie der eben hier noch vor?“ Ein kühler, geschäftsmäßiger Ton, der allerdings keine präzisen Angaben, sondern eher vages Nicken und Kopfschütteln als Antwort bekam. Mehrmals in der Woche war wohl der allgemeine Konsens, aber ebenso, dass es ungeordnete Angriffe waren und es nie mehr als drei oder vier Untote gleichzeitig waren – allerdings jeweils von unterschiedlichem Kaliber. Dies schien nun allerdings die Unterhaltung anzuheizen. Lanthiel wurde um Auskunft über die Todesschneise gebeten sowie um ihre Ausbildung im Blutritterorden, beide Anworten hielt sie jedoch sehr kurz und diplomatisch.

Betretenes Schweigen war die Folge. Mit einem Schlag realisierte Lanthiel, das diese Leute keineswegs von ihr beeindruckt waren oder sie gar ausspionieren wollten – sie mussten ihre neue Kampfgefährtin kennen lernen und wissen, worauf sie sich bei ihr verlassen konnten. Hier draußen gab es keine endlose Verstärkung in Form von Paladinadepten, die in Scharen auf dem Hof übten, gab es keine sichere Zuflucht und die Nahrungsmittelversorgung war davon abhängig, ob die Handelskarawane durchkam oder unterwegs von Gargoyles und Ghulen überrumpelt wurde. Und das erklärte auch die Feststimmung trotz des selbst für Menschen mittelmäßigen Mahls: Die letzte Karawane hatte es nicht geschafft und die Lebensmittel waren rar geworden, bis der Wagen, den Lanthiel begleitet hatte, eingetroffen war.

Die Elfe räusperte sich nun selbst etwas betreten und erteilte schließlich doch Auskunft darüber, was sie bisher alles gelernt hatte. Angefangen bei ihrer Ausbildung im Kampf mit Schild und Schwert, den sie aufgrund der endlosen Übungskämpfe mit ihrem Geliebten Elrendar in den letzten Monaten extrem verbessert hatte, über ihre bisher eher mangelhaften Kenntnisse im Einsatz von Licht im Kampf, der sich bisher auf heiliges Feuer beschränkte, über die Schutzgebete, die sie kannte bis hin zu dem bisschen an Heilkenntnissen, die sie bisher hatte.

Diesmal schaute sie in offen lächelnde Gesichter und statt eines betretenen Schweigens wurden nun Informationen über alle Anwesenden ausgetauscht. Wer zu rufen war, wenn jemand schwer verletzt wurde, wer Dellen in der Rüstung wieder gerade bog, wer bei einem Angriff zu informieren war, aber auch, wer am besten kochte und wer das schönste Morgengebet sprechen konnte.

Lanthiel hätte sich in der Runde vielleicht richtig wohl gefühlt – wäre da nicht das immer stärker werdende Verlangen nach dem letzten Rest Felenergie, der noch in dem kleinen Kristall gespeichert war. Die ständig wachsende Nervosität musste langsam auch den anderen auffallen, das wusste sie, und verabschiedete sich daher rasch, nachdem sie ihr Mahl aufgegessen hatte.

In der vermeintlichen Einsamkeit in einer dunklen Ecke im Turm unter der Treppe zog die Adeptin den kleinen Kristall aus ihrer Rüstung und betrachtete ihn wehmütig, aber auch gierig. Das grüne Leuchten der Energie war schwach, es reichte kaum noch, um es einmal genießen zu können. Stattdessen würde es nur noch den Schmerz des Mangels betäuben. Für ein paar Stunden.

Wie zum Gebet umschlossen die Hände der Blutelfe den kleinen Kristall, ehe sie die Energie bis auf den letzten Tropfen heraussog. Wie erwartet blieb der Genuss auf der Strecke, doch immerhin war die bloße Existenz nun keine Qual mehr. Die Angst vor dem endgültigen Entzug, der ihr nun bevorstand, schuf jedoch eine neue Qual, für die es keinen Ausweg mehr gab.


Unnahbarkeit

Grünes Gras. Das war ihr gestern gar nicht aufgefallen. Hier, mitten im Pestwald, einem Ort maximaler Verseuchung, wuchs grünes Gras, das kaum noch Spuren der Verseuchung aufwies. Um Herdweiler herum wuchs es ganz ähnlich, aber dort war ja auch eine Bande von Druiden Tag und Nacht damit beschäftigt, es wieder wachsen zu lassen. Hier hatte Lanthiel noch keinen einzigen davon gesehen und doch wuchs hier grünes, sauberes Gras.

Fast hätte die Elfe sich einfach hineingesetzt, ehe ihr einfiel, dass sie ja gerade Wachdienst hatte und von ihrem Kollegen, ebenfalls ein junger Adept, allerdings Mensch und gerade einmal ein drittel so alt wie Lanthiel, über das Leben in Quel’Thalas ausgefragt wurde. „Ja, er versorgt uns permanent mit Licht- und Arkanenergie“, gab sie rasch zur Antwort auf seine Frage nach dem Sonnenbrunnen. Ein „Whoa“ kam zurück und Lanthiel verdrehte die Augen über den jungen und von jeder magischen Kleinigkeit zu beeindruckenden Menschen.

„Und damit könnt ihr das Licht benutzen, ohne daran zu glauben?“

Lanthiel bedachte den Menschen kurz mit einem Blick, den man wohl einem kleinen Kind zuwirft, wenn es sich darüber freut, das Wasser nach unten fließt, und nickte dann, ehe ihr Blick auch schon wieder in die Ferne des Pestwaldes schweifte, schließlich hatte sie ja auch ihren Dienst zu erledigen.

„Glaubst du an das Licht?“

Diesmal benötigte Lanthiel länger für die Antwort, was ihrem Gesprächspartner wohl mehr verriet, als die Worte, die sie daraufhin von sich gab. „Sicher, sonst wäre ich nicht Blutritter geworden.“

„Aber quält ihr nicht Naaru, um Lichtenergie zu bekommen?“

Idiot. „Das ist lange her, war vor meiner Zeit. Jene, die daran teilhatten, tun heute jeden Tag Buße dafür.“

Genau genommen wusste sie das nur von einem Blutritter, der sich die ganze Sache einfach nicht verzeihen konnte, aber Lanthiel nahm einfach an, dass die anderen älteren Blutritter es ebenso handhabten wie Elrendar und jeden Tag stundenlang um Vergebung für ihre Taten beteten.

„Wie alt bist du eigentlich?“

Was sollte denn dieses warme Lächeln auf den Lippen des Menschenjungen? Lanthiel starrte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, woraufhin er sogleich schüchtern zu Boden blickte.

„Ich meine, Elfen werden ja total alt, aber du siehst noch so jung aus.“

Bist du das erste Mal von Mamilein weg? Die Frage stand der ach so jungen Elfe wohl ins Gesicht geschrieben, denn der Junge wandte sich enttäuscht ab. Das erregte nun aber irgendwie Lanthiels Mitleid. „Für eine Elfe bin ich jung, aber ich denke, deine Großmutter und ich dürften etwa gleich alt sein.“

Das schien dem armen Jungen wohl keine schöne Vorstellung zu sein. Sein Schweigen nutzte Lanthiel, um ihre Blicke wieder konzentriert über den Wald schweifen zu lassen. Mit der Konzentration war es allerdings nicht weit her. Immer wieder schob sich die unangenehme Vorahnung des Felentzugs in ihre Gedanken. Spätestens morgen würde er sich bemerkbar machen, übermorgen würden es die meisten gemerkt haben, in einer Woche würde sie kaum noch kämpfen können, weil ihr Körper so ausgezehrt sein würde. Wie, beim Licht, sollte sie das überstehen?


Trotz

Die Schwertspitze auf Gesichtshöhe, jedoch einen guten Meter davor erhoben, das Schild schützend seitlich vor ihrem Körper, erwartete Lanthiel den Angriff der Untoten, die sich unweit des Turms zusammengerottet hatten. Irgendetwas störte dabei ihr ohnehin schon leicht verschwommenes Bild. Etwas Zitterndes… es dauerte einige Momente, ehe die Adeptin registrierte, dass das zitternde Etwas ihre Schwertspitze war. Das Zittern ihrer Hand setzte sich in der Waffe fort, die natürlich noch wesentlich stärker ausschlug.

Mit einem leichten Wippen auf den Füßen versuchte Lanthiel rasch, es irgendwie weniger offensichtlich zu machen, aber der kurze, fragende Blick ihres Vorgesetzten, der neben ihr stand, sagte ihr, dass das vergebene Mühe war. Mittlerweile war Lanthiel fast eine Woche am Pestwaldturm, und somit auch fast eine Woche auf Felentzug. Da sie zuletzt schon nur noch eine geringe Menge bekommen hatte, machten sie die Symptome immer rascher bemerkbar und schwächten sie, zehrten ihren Körper und Geist aus.

Ein Ghul wankte auf Lanthiel zu. Normalerweise kaum ein ernster Gegner, der meist mit einem Schlag die zombiehaft ausgestreckten Arme abgehackt bekam und spätestens als zweites geköpft wurde. Heute jedoch verfehlte Lanthiel komplett, schlug zwischen seinen Armen durch, so dass die laufende Leiche sie erreichen konnte. Der zweite Schlag landete kein bisschen besser und die Adeptin musste den Ghul mit ihrem Schild abwehren. Erst mit dem dritten Schlag schaffte Lanthiel es, Schaden anzurichten. Leider nicht beim Ghul. Ihre Schwertspitze landete in der Kniekehle eines Kollegen, der vorgesprungen war, um seinen Gegner zu enthaupten. Nun am ganzen Körper zitternd wich Lanthiel einen Schritt zurück, dann noch einen, ehe sie sich umdrehte.

„Herbstnebel!“

Der Schrei ihres Kommandanten brachte sie wieder halbwegs zur Besinnung und sie wandte sich erneut um. Ob es Glück oder Können war, dass sie ihr Schwert dabei dem ihr nachgefolgten Ghul in den Torso rammte, wusste sie selbst nicht so genau, aber immerhin war sie nicht von ihm überrannt worden. Ein gezielter Streich des Kommandanten folgte und der Ghul sackte kopflos zu Boden, als letzter der angestürmten Gegner.

„Herbstnebel, was sollte das?“ Der beissende Ton entging nicht einmal Lanthiel, die in ihrer Umgebung nicht mehr allzu viel wahr nahm. Ihre Antwort fiel dagegen fast weinerlich aus „Ich bitte um Verzeihung, Kommandant. Ich befinde mich heute nicht wohl.“ Der Kommandant hatte wohl Mitleid. „Dann sucht einen Heiler auf.“

Mit einem flüchtigen Nicken lief Lanthiel eiligst davon, jedoch nicht zu einem Heiler, sondern in die dunkle Ecke, in der sie Tage zuvor die letzten Reste Energie aus ihrem Felkristall gekratzt hatte. Sie hatte heute einen Verbündeten verletzt, weil sie von den Entzugserscheinungen kaum noch geradeaus schauen konnte. Blutritteradeptin hin oder her, Lanthiel war eine Schande für die elfische Rasse und für den Stand der Blutritter. Und wessen Schuld war das? Ihre eigene, weil sie nicht stark genug gewesen war, den Verlockungen einer dämonischen Macht zu widerstehen.

Schluchzend, zitternd und sich selbst bemitleidend saß die junge Elfe eines ganze Weile in ihrer dunklen Ecke und legte dabei nach und nach die Rüstung ab, derer sie sich nicht länger würdig fühlte. Erst, als sie energische Schritte mit Plattenstiefen auf dem Steinboden vernahm, zuckte Lanthiel zusammen und versuchte, sich zusammen zu reißen, um wenigstens nicht aufzufallen. Plötzlich erschien das Gesicht der Menschenfrau, die ihr am ersten Abend das Essen gereicht hatte, vor ihrem eigenen und sah sie besorgt an. Hannah hieß sie, das hatte Lanthiel sich inzwischen gemerkt.

„Bist du krank?“

„Nein. Lass mich in Ruhe.“

„Du siehst ziemlich krank aus. Warum bist du nicht zu mir oder einem anderen Heiler gekommen?“

„Du kannst mir nicht helfen. Keiner von euch kann das.“

„Ah. Eine elfenspezifische Krankheit?“

Anstatt zu antworten, sah Lanthiel Hannah einfach nur kalt an, die daraufhin begann, die widerwillige Elfe zu untersuchen. Es dauerte nicht lange, ehe die Heilerin sich mit warmer, freundlicher, aber auch strenger Stimme an ihre unfreiwillige Patientin richtete.

„Was hast du genommen? Felenergie?“

Die betretene Art, in der Lanthiel dem Blick Hannahs auswich, musste Antwort genug gewesen sein. Die Heilerin nickte und erhob sich langsam. „Du hast recht, dagegen kann dir niemand hier helfen, aber auch niemand in deiner Heimat. Da musst du ganz allein durch.“ Sie half – oder zerrte vielmehr – Lanthiel noch in ihr Bett, ehe sie wieder ging.


Hoffnung

Fieberträume, Schüttelfrost, ein Gefühl, als würde der Körper sich selbst verzehren. Lanthiel lag, unter mittlerweile drei Decken, in dem kleinen Stockbett und zitterte vor sich hin. Hannah hatte den anderen etwas von einer merkwürdigen Elfenkrankheit erzählt, die sie nicht kannte, und die Elfe in Quarantäne gesteckt, wofür diese äußerst dankbar war. Allein war es schlimm genug durchzustehen, aber in ihren gelegentlichen Agressivitätsattacken einen Mitstreiter zu verletzen, hätte weder Lanthiel noch sonst irgendwem geholfen.

Was beim Licht hatte sie sich dabei gedacht, nach dem Befehl ihrer Mentorin einfach abzureisen, ohne die Fürstin um weitere Kristalle zu bitten? Oder dabei, sich ausgerechnet an den abgelegenen Pestwaldturm stationieren zu lassen? Oder dabei, sich nicht einfach für ein paar Tage krank zu melden, weil sie zu stolz war, um sich von ein bisschen Gezittere vom Kämpfen abhalten zu lassen.

Jetzt half wohl nur noch beten, das hatte die Heilerin eben auch gesagt. Aber das Licht war nicht so mächtig, dass es als Ersatz für Felmagie taugen konnte. Und wofür sollte sie beten?

Vergebung. Kaum, dass sie die Frage gedacht hatte, hatte sie die Antwort gewusst. Vergebung dafür, sich irreleiten zu lassen und in ihrer Verkennung der Gefahr jemand anderen verletzt zu haben.

Aber konnte ihr das denn wirklich helfen? Nichts konnte das Machtgefühl ersetzen, das Felenergie auslöste. Das Licht konnte niemals so mächtig sein, wie die dämonischen Energien. Ein trauriger Gedanke. Bedeutete das nicht, dass sie als Blutritter keine Chance gegen Dämonen haben konnte?

Unruhig wälzte sich die junge Elfe im Bett. Der kalte Schweiß stand ihr auf der Stirn und sie wickelte sich enger in ihre Decken, das Gefühl der Übelkeit mühsam unterdrückend. Früher oder später würde es hier unappetitlich werden. Für einen kurzen Moment öffnete sie die Augen und blickte aus dem Fenster auf den Vorplatz des Pestwaldturmes.

Grünes Gras.

Das war ihr am ersten Tag gar nicht aufgefallen, aber hier wuchs wieder grünes, zumindest halbwegs gesundes Gras, und das, so schien es zumindest, ganz ohne die Hilfe der Druiden. Allein dadurch, dass die Bewohner des Turms ihren Glauben an das Licht praktizierten. Welch zuversichtlicher Gedanke. Der Glaube allein regenerierte diese Länder und konnte sie vielleicht irgendwann wieder für die Lebenden dauerhaft bewohnbar machen. Ob das auch in dem Teil des Immersangwaldes, der heute als die Geisterlande bekannt war, möglich war? Wenn alle Elfen dem Lichtglauben folgten, nicht nur vorgeheuchelt, sondern wirklich glaubten, würde sich das Land dann wieder vollständig regenerieren?

Aber die Chancen dafür standen schlecht. Die Felenergie war einfach eine zu verlockende Quelle der Macht, und was ein Haufen Nethermanten mit dem Land anstellen würden, war klar: Abbrennen und danach nichts unternehmen, um den Wald wieder aufzuforsten. Bisher hatte Lanthiel dies auch für die beste Möglichkeit gehalten, wenngleich sie ihr nicht wirklich gefiel. Aber mit den Kräften des Lichts, vielleicht ein paar verbündeten Druiden…

Hoffnung regte sich in der vom Felentzug geschwächten Elfe, und mit ihr kam auch das Versprechen auf ein besseres Gefühl, wenn sie diesen Tiefpunkt erst einmal überstanden hätte, wenn sie endlich das Licht akzeptieren konnte. Nicht als Quelle unbesiegbarer, zerstörerischer Kraft, wie sie die Felenergie noch immer ansah.

Das Licht folgte eigenen Prinzipien. Es war eher eine indirekte, subtile Kraft, die aus jedem Individuum selbst entsprang und auch als solche behandelt werden musste. Eine Kraft, die darauf aufbaute, dass Lanthiel eine gute Elfe war, nicht darauf, dass sie irgendetwas mit sich herumschleppte.

Obwohl sie sich am liebsten vor Schmerzen zusammengekrümmt hätte, blieb Lanthiel so liegen, wie sie war, um weiterhin aus dem Fenster auf das Gras schauen zu können. Fast meinte sie, zusehen zu können, wie es wuchs.


Epilog

Der starke Wind, der Lanthiel ein paar gelöste Haarsträhnen ins Gesicht blies, roch heute einmal nicht nach Verseuchung und Tod. Die Blutritteradeptin schüttelte leicht den Kopf und sog die frische Luft tief ein. Hier oben auf der Spitze des Turmes konnte sie fast die Heimat sehen, aber in letzter Zeit war der Boden interessanter geworden, sowie diejenigen, die tagtäglich darüber liefen.

Als sie ihre anfängliche Arroganz erst einmal überwunden hatte, hatte Lanthiel gemerkt, um was für freundliche, aufgeschlossene Individuen es sich bei ihren Kollegen handelte. Niemand hatte ihr einen Vorwurf aus ihrer Felsucht gemacht – im Gegenteil. Jene, die im Bilde über die Sucht waren, waren stolz auf die junge Blutelfe gewesen, als sie es endlich überstanden hatte, und hatten ihr dabei geholfen, ihre Fähigkeiten zu Verfeinern.

Es war der Glaube, der sie alle verband, und der die Unterschiede in ihren Völkern, ihren Altersspannen, wie auch zwischen ihren Rüstungen und Titeln nichtig werden liess. Der Glaube, der sie alle stärkte und den Sinn dieser ganzen Mission ausmachte – denn das Licht musste zurück in die dunkelsten Winkel dieser Welt gebracht werden, um sie zu heilen, und Lanthiel konnte nun nur allzu gut nachempfinden, wie es jenen dunklen Ecken wohl gehen mochte.

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