Dieser Artikel wurde am 10. Oktober 2011 als Spotlight der Woche vorgestellt. |
Prolog[]
Im Herzen Tirisfals liegt die Unterstadt dunkel und schweigend darnieder. Während überall die Welt unter dem Ansturm einer Kreatur von halbgöttlicher Macht auseinanderzubrechen droht, scheint die Zeit hier stehen geblieben zu sein. Der Mittelpunkt des Königreiches der Toten macht einen geradezu friedlichen Eindruck, befindet sich ein Großteil des stehenden Heeres doch an der Front und führt dort, manchmal mehr und manchmal weniger bereitwillig, den Willen des Kriegsfürsten aus.
Mit dem Wissen, dass sich das zwiespältigste aller Völker der Horde fest unter der Kontrolle von Garrosh Höllschrei befindet, ist beinahe so etwas wie Normalität nach Tirisfal eingekehrt. Zwar streunen immer noch vereinzelte hirnlose Zombies durch das tiefere Dickicht der im düsteren Zwielicht gelegenen Wälder, doch müssen Reisende nur in den seltensten Fällen befürchten, unversehens von den durch Laternen gesäumten Straßen zu verschwinden.
Unterstadt selbst präsentiert sich dem geneigten Gast nicht mehr als seuchenproduzierender und seelenverschlingender Moloch, sondern eher als Heimat einer Ansammlung von verschrobenen untoten Spinnern, von denen der Durchschnittsbürger der Horde jedoch nichts mehr zu befürchten hat, genügt doch ein beiläufiger Wink mit der Hand und die Kor’kron knüppeln jegliches verdächtige Verhalten gnadenlos nieder... diejenigen zumindest, welche dergleichen als willkommene Abwechslung zu ihrem längst zur langweiligen Routine verkommenen Wachdienst betrachten.
Überhaupt scheinen sich die Elitetruppen des Kriegsfürsten mit ihrem Los abgefunden zu haben und empfinden die Stationierung in der Nekropole nicht mehr als lästig, haben sie doch seit der Instandsetzung der Ruinen von Lordaeron die gerne genutzte Möglichkeit, ihren Dienst an der Oberfläche zu leisten. Natürlich ist die Luft hier immer noch stickig-feucht, was dem immerwährenden Nebel geschuldet ist, doch der Hauch von Moder und Vergängnis wird von den meisten schon gar nicht mehr wahrgenommen und ist immer noch weitaus erträglicher als das abgestandene Gemisch, welches man tiefer in den Eingeweiden der Stadt findet.
Die hier stationierten Wachen haben inzwischen ein größeres Interesse daran, mit ihren Kameraden um Dienstzeiten an der Oberfläche zu wetten, als den wandelnden Leichen tatsächlich scharf auf die Finger zu sehen – von diesen wagt es niemand mehr, Experimente durchzuführen, welche die vom Kriegsfürsten befohlenen Richtlinien möglicherweise überschreiten könnten. Die Labore sind zu eingestaubten Kakerlakennestern verkommen, in denen höchstens noch Heiltränke für die Front gebraut werden und sind weit davon entfernt, den Eindruck von Gefahr und Niedertracht zu erwecken, wie er noch vor einigen Jahren vorherrschte.
So gehen die Verlassenen mit gesenktem Kopf und mürrisch eingezogenen Schultern ihrem Tages- und Nachtwerk nach, trainieren hier ein paar Rekruten, forschen da in zerfledderten Folianten, denen sämtliche Geheimnisse längst entrissen worden sind, halbherzig nach neuen Erkenntnissen oder gehen irgend einem Handwerk nach in der Hoffnung, dass es irgendeine Form von Nutzen bringen mag.
Dennoch... niemand wird abstreiten können, dass jegliche Aktivität, die nicht mit der Erweckung und Ausbildung von neuen Verlassenen zwecks Einsatz im Kampf gegen die Allianz zu tun hat, zum reinen Selbstzweck verkommen ist... zu einer niemals endenden Beschäftigungstherapie... zu schwachsinnigen Ersatzhandlungen... zum Mittelmaß.
Eine Anbahnung[]
Der Gestalt, welche unter den Katakomben des Apothekerviertels in einer Nische ausharrt und eine auf einem zerknitterten Blatt Pergament verewigte Liste in der knochigen Hand hält, ist Mittelmaß zuwider. Der Zorn über den Stillstand in der Entwicklung seines Volkes und über die Reduzierung der Verlassenen zu reinem Kanonenfutter und zu simplen Erfüllungsgehilfen des Kriegsfürsten brennt so hell in ihm, dass sein vertrocknetes Herz beinahe wieder zu schlagen anfangen möchte.
Trotzdem versucht er, sich zu beherrschen... sich in Geduld zu üben... abzuwarten. Er späht einen staubigen und heutzutage kaum noch genutzten Gang entlang, in welchem gerade das Echo von orcischen Stiefeln auf dem kalten Stein in der Finsternis verhallt und ihm mitteilt, dass die Patrouille der Wachen beendet ist, was bedeutet, dass in den nächsten drei Stunden nicht mit den Kor’kron zu rechnen ist.
Vertrocknete Sehnen rutschen knirschend in ihre alte Position zurück als sich der gebeugte Körper der Gestalt entkrampft, ein leises Rascheln ertönt als sich der Griff der Finger um die Liste herum löst. Er blickt zu einer Arkade hoch über ihm empor, wo er ein glosendes rotes Augenpaar in der Finsternis erkennen kann, von der Art, wie es nur Dunkelläuferinnen besitzen. Das Augenpaar bewegt sich fast unmerklich, eine Geste, die einem Nicken gleichkommt.
Die Gestalt in der Nische schnippt mit den Fingern, ein trockener und hohler Klang, als ob man zwei Äste aneinanderschlägt. Plötzlich kommt Bewegung in die Dunkelheit, Staub wird aufgewirbelt als in abgetragenen Stiefeln steckende Knochenfüße über den Boden huschen, das Rascheln von Roben wird laut. Geschäftig trippeln verhüllte Kreaturen mit krummen Rücken im Gang umher, im alles beherrschenden Dunkel wie Schemen anmutend.
Jede von ihnen hält an einer bestimmten Stelle des Ganges kurz inne, kratzt dort herum und eilt weiter, nun mit einem undefinierbaren Etwas in den Händen. Die Gestalt in der Nische löst sich aus dieser, blickt noch einmal zu der Arkade hoch, wo das Augenpaar nun verschwunden ist, und begibt sich gemessenen Schrittes zu der Stelle mitten im Gang, während der wie eine finstere Ameisenstraße wirkende Strom von Wesen allmählich versiegt. Sie blickt verstohlen nach links und rechts und stellt sicher, dass es außer den von ihr beauftragten Helfern keine weiteren Zeugen gibt, dann wendet sie sich einem mannshohen staubbedeckten Portal zu, welches von den Kor’kron versiegelt wurde und dessen Relief den Umriss einer Spinne zeigt.
Das Getrappel der Helfer verstummt, als die Gestalt noch einen Blick auf ihre Liste wirft, diese in ihre linke Tasche steckt... und aus der rechten einen schweren verrosteten Schlüssel hervorholt. Kaum hat dieser das von bleichen Spinnen fast gänzlich zugewebte Schloss berührt, als ein erwartungsvolles Raunen aus den Kehlen zahlreicher gespannter Helfer durch den Gang zieht... die abgestandene Luft kommt in Bewegung und zeichnet Wirbel in die Finsternis, als ob die Schatten sich erheben wollten.
Versammlung in Brill[]
Tirisfal – Brill
Seit Jahren verweigerte die Sonne ihre wärmenden Strahlen diesem Dorf. Seit Jahren schmückte kein Stern mehr den Himmel dieses Landes. Kein Regenschauer, der über den Boden fiel. Die einstigen Tiere wurden vertrieben und die Pflanzen verwelkten unter dem sich ausbreitenden Gestank des Todes. Inmitten dieses Landes ragt ein kleines Dorf empor – Brill.
Im Schatten einer Säule der Kirche verbirgt sich eine schwarz gerüstete, verhüllte Gestalt. Ornamente des Todes und der Dunklen Fürstin der Verlassenen zieren ihre eng anliegende Lederrüstung und zwei scharfe Krummsäbel, eingehüllt von einem blutroten Glühen, prangern am Waffengurt der Gestalt. Das Gesicht ist unter einer Kapuze verborgen, das unbarmherzige, rote Augenpaar, das wachsam über das Innere des heiligen Gebäudes huscht, raubt jeden Zweifel an der Identität der düsteren Gestalt.
In sich gekrümmte und in schwarzem Seidenstoff gehüllte Gestalten, deren Schritte mit dem unangenehmen Geräusch von zusammendrückenden Knochen begleitet wurden, traten in die Kirche ein.
„Verteilt diese Nachricht im ganzen Lande Ihrer Majestät!“ Eine Stimme, gewoben aus düsterer Kälte und dem trügerischen, melodiösen Klang einer unbarmherzigen Quel'dorei sprach unter der Kapuze zu den Helfern, und eine Depesche mit dem stilisierten Abzeichen einer grünen Spinne wurde ausgehändigt.
„Im Schatten sind wir geboren. Im Schatten werden wir gedeihen. Ihr seid die Kinder des Schattens. Es ist Zeit Euch zu erheben. Folgt dem Ruf und findet Euch in Brill ein.“